Analyse: Vor der Revolte
■ Israels Regierungschef Netanjahu droht der Aufstand der eigenen Partei
Auf dem Likud-Parteitag zu Beginn der Woche wurde Hardliner Ariel Sharon gefragt, ob er Ministerpräsident Netanjahu noch unterstütze. Seine Antwort lautete: „Die Politik der rechten oder der linken Hand?“ Netanjahu droht eine Revolte in der eigenen Partei. Offen sprechen Minister und Abgeordnete des Likud davon, Netanjahu aus dem Amt zu jagen, seit er sich, entgegen seinem eigenen Versprechen, vom Parteitag de facto die Kontrolle über die Aufstellung der Parlamentskandidaten übertragen ließ. Jetzt fürchten die Netanjahu-Kritiker um ihre politische Karriere. In der kommenden Woche wollen sie über den „handstreichartigen Putsch“ ihres Parteichefs beraten. Sogar von Spaltung des Likud oder der Gründung einer neuen Partei ist die Rede.
Doch immer wenn Netanjahu aus der eigenen Partei oder Koalition Gefahr droht, zieht er die Karte der „nationalen Einheitsregierung“ aus dem Ärmel. Nach der Rückkehr aus den USA will er sich mit dem Chef der Arbeitspartei, Ehud Barak, treffen. Offizielles Thema ist eine „nationale Aussöhnung“ zwischen dem rechten und linken Lager, wie sie Netanjahu auf der Gedenkfeier für Jitzhak Rabin gefordert hat. Doch gezielt gestreute Gerüchte weisen in eine andere Richtung. Der internationale Druck, den Siedlungsbau zu stoppen und die vereinbarten Teilrückzüge der Armee im Westjordanland endlich zu vollziehen, könne Netanjahu zwingen, den Schulterschluß mit der Arbeitspartei zu suchen, heißt es. Ein Treffen zwischen Außenminister Levy, Chef der mitregierenden Gesher-Partei, und Ehud Barak löste neue Spekulationen aus. Sogar über die Verteilung von Ressorts in einer „nationalen Einheitsregierung“ soll gesprochen worden sein.
Doch Barak weiß, daß eine große Koalition seine Chancen auf einen Sieg bei den nächsten Parlamentswahlen erheblich schmälern wird. Noch setzt er deshalb darauf, im Laufe eines Jahres die erforderlichen 80 Stimmen in der Knesset zusammenzubekommen, um Netanjahu abwählen zu können. Die Revolte im Likud dürfte ihm neue Hoffnung machen. Andererseits wird Netanjahu nicht untätig zusehen, wenn seine Regierungskoalition auseinanderzubrechen droht. Dann könnte er entweder Neuwahlen ausschreiben oder eine neue Friedenspolitik einleiten und Barak zu einer großen Koalition einladen. Aus „Verantwortung für das Land“ dürfte der sich kaum verweigern können. In den 18 Monaten seiner Amtszeit ist Netanjahu noch aus jedem Machtpoker als Sieger hervorgegangen. Georg Baltissen
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