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■ Wettrüsten bei Pharmafirmen

Im weltweiten Konzernfusionsfieber hat die Pharmabranche wieder einmal die Nase vorn. Wenn die weltweit operierenden, aber in London ansässigen Firmen Glaxo-Wellcome und SmithKline Beecham wie angekündigt ihren Fusionsvertrag unterschreiben, werden sie mit einem gestrigen Börsenwert von über 370 Milliarden Mark an die zweite Stelle in der Weltrangliste aufrücken – übertroffen nur noch von dem US-Giganten General Electric. Und es werden weitere Zusammenschlüsse folgen, darin sind sich alle Beobachter der Sparte einig.

Von den alten Industriebranchen ist der Pharmamarkt einer der lebhaftesten und profitabelsten. Das Geschäft mit der Krankheit boomt: In den letzten zwanzig Jahren wuchsen die Arzneiunternehmen um jährlich zehn Prozent, der Wert ihrer Aktien steigerte sich in der Zeit gar auf das 23fache, meldete jüngst die Financial Times. Die Manager haben sich damit selbst unter enormen Druck gesetzt, dieses hohe Niveau zu halten. Das aber ist schwer möglich. Die Beraterfirma Andersen Consulting hat Ende vergangenen Jahres ausgerechnet, daß die großen zehn der Branche dafür etwa fünf erfolgreiche Medikamente pro Jahr auf den Markt bringen müßten. Derzeit liegen die Konzerne bei einer Rate von einem Medikament alle zwei Jahre.

In den Labors wird in den nächsten Jahren mit Hochdruck an neuen Methoden wie der Gentechnik gearbeitet werden. Damit sollen völlig neue Behandlungen möglich werden. Gleichzeitig werden die Konzerne auf schnellere Zulassungsverfahren drängen. Denn inklusive aller Flops kostet die Entwicklung einer neuen Arznei derzeit knapp eine Milliarde Mark. Doch für die Rationalisierung in der Medikamentenforschung sind die Fusionen eigentlich nicht nötig. Zwar verfügen die neuen Riesen über jährliche Entwicklungsetats, die langsam diejenigen staatlicher Forschungsministerien erreichen. Doch größere Labors bedeuten noch lange nicht mehr Entdeckungen pro eingesetzten Dollar.

Die eigentliche Ersparnis und damit ein Quell neuer Gewinne liegt denn auch in traditionellen Bereichen wie Marketing, Vertrieb und Verwaltung. Dort können die neuen Pharmakombinate mit ihrem Bauchladen an verschiedenen Medikamenten mehr sparen als im Labor: Wenn ein Pharmavertreter beim Arzt sechs statt zwei Medikamente anpreist, so ist das eine einfach zu erreichende Rationalisierung. Da müssen dann auch die deutschen Konzerne zulangen. Alte Veteranen des Marktes wie Aspirin-Bayer und Pillen-Schering drohen sonst abgehängt zu werden. Wer den Schwarzen Peter bei den Fusionen davonträgt, ist ebenfalls klar: In den betroffenen Bereichen werden massiv Leute entlassen, sonst rechnet sich der Aufwand für eine Fusion nicht. Damit gerät wieder eine Branche in den Rationalisierungsstrudel. Reiner Metzger

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