Analyse: Kanthers Sicherheit
■ Die Innenminister der Länder und die neue Aktion "Sicherheitsnetz"
Bundesinnenminister Manfred Kanther konnte sich den Seitenhieb nicht verkneifen. Es habe in der Vergangenheit „pseudo-libertäre Auffassungen“ darüber gegeben, was zum „Ausleben der eigenen Freiheit gehört“. Das scheint nun eingedämmt zu sein. In der Tat kann Kanther zufrieden sein. Seiner im Herbst angekündigte Aktion „Sicherheitsnetz“ sind die Innenminister der Länder am Montag auf ihrer Konferenz in weiten Teilen gefolgt. Zwar lehnten sie einen generellen Einsatz von freiwilligen Polizeihelfern ab. Immerhin griffen sie aber Kanthers Forderung auf, die bundesweit rund 150.000 Beschäftigten der Sicherheitsdienste als Ergänzung der Polizei zu akzeptieren. Schon im Oktober hatten die CDU-Innenminister Kanthers Vorstoß unterstützt.
Daß das „Sicherheitsnetz“ auf derart breite Zustimmung gestoßen ist, liegt nicht zuletzt an der Haltung der SPD. Alle Innenminister sind sich nun einig: Aggressives Betteln, Lärmen, Verunreinigung öffentlichen Verkehrsraums soll „differenziert und angemessen unterbunden und konsequent verfolgt werden“. Dem „Überhandnehmen solcher Verhaltensweisen“ sei, so lautet ihr Fazit, durch „eine niedrige Eingriffsschwelle entgegenzuwirken“. Kanther selbst will in den nächsten Monaten verstärkt Bundesgrenzschutz (BGS) auf Bahnhöfen und öffentlichen Nahverkehrsplätzen einsetzen.
Auch im Umgang mit jugendlichen Straftätern nähern sich CDU und SPD an. Ein „vollständiger“ Verzicht auf deren Unterbringung in geschlossen Heimen sei angesichts der „neuen Kriminalitätsentwicklung problematisch“, heißt es nun. Deutlich fiel der Appell der Innenminister an ihre Kollegen in den Justizministerien am Montag aus: Die Richter sollten vom beschleunigten Verfahren mit Hauptverhandlungshaft mehr Gebrauch machen, konsequent Untersuchungshaft anordnen und in stärkerem Maße die Delinquenten zu „gemeinnütziger Arbeit“ verurteilen. Fast stereotyp wirkte dagegen in der Erklärung die Forderung nach Stärkung von Präventionsräten, in denen unter anderem Bürger, Sozialarbeiter und Polizei zusammenarbeiten.
Kanther mahnte eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern an, um die illegale Einreise von Ausländern zu verhindern. Durch eine Gesetzesnovelle soll der BGS verdachtsunabhängige Kontrollen nicht nur wie bislang an der Grenze, sondern darüber hinaus auf Flughäfen, Bahnhöfen, Bahnanlagen und in Zügen durchführen. Kontrollen ohne Anlaß sind schon in Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen Praxis. Demnächst will auch Sachsen folgen. Allein das rot-grün regierte Hamburg will nicht mitspielen: In einer Protokollnotiz zur Innenministerkonferenz heißt es, Hamburg halte solche verdachtsunabhängigen Kontrollen „derzeit“ nicht für erforderlich. Severin Weiland
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen