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AnalyseBerishas Wühlarbeit

■ Die neuen Unruhen in Albanien sind Anzeichen einer politischen Krise

Die Bilder erinnern an die Ereignisse vor einem Jahr: Brennende Gebäude, um sich schießende Banden und panische Bewohner, die sich verbarrikadieren, um ihr Hab und Gut zu schützen. Am Montag wurde in der nordalbanischen Stadt Shkoder der Ausnahmezustand verhängt.

Dieser erneute Ausbruch von Gewalt war nur eine Frage der Zeit. Erst kürzlich räumte Albaniens sozialistischer Premierminister Fatos Nano ein, daß es seiner Regierung seit dem Amtsantritt vor acht Monaten bislang nicht gelungen sei, auch nur vier Meter Straße in Tirana zu asphaltieren.

Dahinter verbirgt sich das Eingeständnis, mit dem angekündigten Reformprogramm vorerst gescheitert zu sein. Die Verfassungsreform ist ausgeblieben. Die Entwaffnung der Bevölkerung blieb ein bloßes Versprechen. Noch immer sollen 500.000 Waffen im Umlauf sein. Jeder dritte Erwerbsfähige hat keinen Job.

Dennoch greift die Forderung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) nach den jüngsten Vorfällen in Shkoder, der Westen müsse für die ärmsten Regionen in Albanien mehr Wirtschaftshilfe zur Verfügung stellen, zu kurz. Denn die desolate Lage ist nur einer der Gründe für den Aufruhr, der sich bald auch in anderen Teilen des Landes wieder entladen könnte.

Ein anderer Grund ist, daß es bis heute in Albanien keinen tragfähigen, demokratischen Konsens gibt. Die Formel der „nationalen Versöhnung“, die anderen osteuropäischen Transitionsländern wie Bulgarien half, die Krise zu überwinden, kommt im albanischen Sprachgebrauch nicht vor. Maßgeblichen Anteil daran hat die stärkste Oppositionskraft, die Demokratische Partei unter Führung des ehemaligen Staatspräsidenten Sali Berisha. Der kündigte gleich nach der Schlappe bei den Parlamentswahlen im vergangenen Juli an, sich keinesfalls mit dem Verlust der Macht abfinden zu wollen.

In dieser Hinsicht hat Berisha Wort gehalten und arbeitet am Sturz der „kommunistischen Mafia“ – auf seine Art. Seit September boykottieren die Demokraten das Parlament. Vor kurzem wurden mehrere demokratische Abgeordnete verhaftet, die eine Gruppe bewaffneter Zivilisten anführten. Bei Demonstrationen hat Berisha wiederholt zum Sturz der Regierung aufgerufen, wobei er die wachsende Unzufriedenheit der Bevölkerung weidlich ausnutzt. Daher ist es kein Zufall, daß der Ort der neuen Unruhen, Shkoder, eine der Hochburgen des früheren Staatschefs ist. Nicht allein Wirtschaftshilfe ist eine Voraussetzung, um ein erneutes Chaos zu verhindern, sondern eine Aussöhnung der politischen Gegner. Doch diese Chance drohen die Beteiligten zu verspielen. Was dann passiert, hat Shkoder gezeigt. Barbara Oertel

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