piwik no script img

AnalyseRückzugsgefechte

■ FPÖ-Chef Haider weiß nach Skandalen nicht mehr weiter

Der Höhenflug der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) ist vorläufig gestoppt. Daß die Krise wirklich ernst ist, zeigen die Manöver des Parteivorsitzenden Jörg Haider, der „aus Enttäuschung über seine Mitarbeiter“ einmal mit seinem endgültigen Rückzug aus der Politik und dann wieder mit der Kandidatur zum Landeshauptmann von Kärnten droht. Sein politischer Ziehsohn für diese Position, Karlheinz Grasser, trat vor wenigen Tagen zurück, weil er von Haiders Umfeld abgestoßen sei. Als Kärntner Landeschef mußte Haider vor sechs Jahren schon einmal zurücktreten: als Konsequenz seiner Äußerungen über die „ordentliche Beschäftigungspolitik“ im Dritten Reich.

Heute sind es nicht mehr deutschnationale Sprüche, die die FPÖ ins Gerede bringen, sondern handfeste Finanzaffären. In den letzten zehn Tagen wurden nicht weniger als vier Parteifunktionäre wegen des Verdachts des Millionenbetrugs in Untersuchungshaft genommen. Als letzter landete der seit sechs Wochen flüchtige ehemalige FP-Verkehrssprecher Peter Rosenstingl in den Fängen der brasilianischen Polizei.

Man fragt sich, wie ein so ausgefuchster Mann, der es verstand, jahrelang Vermögensanleger, Banken und Lieferanten übers Ohr zu hauen und dabei umgerechnet 30 Millionen Mark ergaunert haben soll, sich bei der Flucht als erbärmlicher Tolpatsch erweisen konnte. Rosenstingl, der sich mit seiner Freundin nach Brasilien abgesetzt hatte, legte durch zwei in Fortaleza abgeschickte Briefe selbst die Fährte zu seinem Versteck. Der Flüchtige, der kein Portugiesisch spricht und nicht einmal Englisch radebrechen kann, hatte sich ausgerechnet in einem von einem Landsmann betriebenen Ferienkomplex niedergelassen.

Haider weiß wohl nicht, ob er sich über die Verhaftung des Mannes, der seiner Partei in den letzten Wochen soviel Schmach zugefügt hat, freuen soll. Denn wenn Rosenstingl nach seiner Auslieferung erst einmal in Wien verhört wird, kommen unweigerlich unangenehme Details über den Sumpf der Landesparteileitung in Niederösterreich, verbotene Geschäfte mit angeblich gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften und Verstrickungen von FPÖ-Funktionären mit internationalen Mafia-Organisationen, zur Sprache.

Kein Wunder, daß der unglaubwürdig gewordene Saubermann mit allen möglichen Tricks von der eigenen Krise ablenken will. Da wirft er einigen SPÖlern Beziehungen zur Russen-Mafia vor und wettert über angebliche Lauschangriffe auf sein Parlamentsbüro. Den Vogel aber schoß der Vorsitzende der neuen Freiheitlichen Gewerkschaft vor. Er will alle Beschwerdeführer gegen Polizeiübergriffe mit Klagen einschüchtern, damit die Exekutive bei der Verbrechensbekämpfung nicht behindert werde. Ralf Leonhard

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen