Analyse: Ein Kabel, ein Markt
■ US-Fusion von AT&T und TCI ist Initialzündung für neuen Medienmarkt
Die gespannte Ruhe am US-Telekommunikationsmarkt ist dahin. Die am Mittwoch angekündigte Übernahme des Kabel-TV-Anbieters TCI durch den Telefonriesen AT&T beeindruckt schon durch ihren Umfang: 37 Milliarden Dollar will AT&T für TCIs Aktien ausgeben – und zusätzlich dessen Schulden in Höhe von elf Milliarden Dollar übernehmen. Doch die Fusion ist nicht nur ein weiterer Zusammenschluß in der allgemeinen Fusionsmanie. Michael Armstrong, Chef von AT&T, hat damit einen Coup gelandet, der die Telekommunikations- und die Medienbranche gleichermaßen aufmischen wird.
1984 war nach einem jahrelangen Monopolverfahren die alte AT&T zerschlagen worden: Sieben regionale Telefongesellschaften – die sogenannten Baby-Bells – übernahmen die lokalen Telefonnetze, „Ma Bell“ AT&T bekam das Langstreckennetz. Fortan blieben beide Märkte voneinander getrennt. Bis 1996 das neue US-Telekommunikationsgesetz erlassen wurde, das wieder frischen Wind in die Branche bringen sollte und AT&T den Zugang zu den Lokalnetzen erlaubte. Nur war der von den Baby-Bells versperrt, die gut an den Durchleitungsgebühren von Ma Bells Ferngesprächen verdienten. Langstreckenkonkurrenten wie MCI und Sprint hatten ihren Marktanteil aber auf 60 Prozent gedrückt. Versuche, einen der Baby-Bells zu übernehmen, scheiterten ebenso wie ein Ausweichen auf den Mobilfunk. Und eigene lokale Netze aufzubauen, war selbst für einen Riesenkonzern wie AT&T mit einem Jahresumsatz von 51 Milliarden Dollar eine Nummer zu groß – aber letztlich auch überflüssig.
Denn Kabel-TV-Anbieter wie TCI haben in den vergangenen Jahren flächendeckende Kabelnetze aufgebaut, mit denen AT&T an den Baby-Bells vorbei direkt zu den Kunden gelangen kann. TCI und seine Tochterfirmen erreichen insgesamt 33 Millionen US-Haushalte, ein Drittel aller Kabelkunden. Durch die Kabelnetze eröffnet sich aber eine ganz neue Dimension für AT&T: Zusätzlich zu normalen Ortsgesprächen kann sie demnächst auch Hochgeschwindigkeitszugänge zum Internet anbieten. Die wiederum sind der Schlüssel zum Markt des Video-on-Demand. Für AT&T bedeutet dies den Sprung in die lukrative „Ein-Kabel-Welt“ aus Entertainment, Internet und Telekommunikation, die AT&T-Chef Armstrong und TCI-Chef John Malone am Mittwoch als Konzernvision ausmalten. Mehrere andere Medien- und Telekommunikationskonzerne – darunter Time Warner – sitzen ebenfalls in den Startlöchern zur „Ein-Kabel-Welt“. AT&T hat nun mit der Übernahme von TCI die Nase vorn. Daß die US-Kartellwächter AT&T wieder auf die Finger klopfen, ist nicht zu erwarten. Im Gegenteil sehen sie durch die Fusion den Wettbewerb auf den lokalen Telekommunikationsmärkten endlich wieder entfacht. Niels Boeing
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