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AnalyseWiege des Terrorismus

■ Pakistan und Afghanistan stehen am Rande der internationalen Ordnung

Pakistan ist nach eigenem Verständnis das Land der Reinen, Rechtgläubigen. Es entstand als Produkt der erst hinausgezögerten, dann überhasteten Dekolonisierung Britisch-Indiens. Die blutige Teilung der beiden größten Bestandteile des Kolonialreiches war der letzte Akt des Empire, des eigentlichen, geheimen Verlierers des Zweiten Weltkrieges.

Pakistan ist also schon von seiner Konzeption her ein Land ohne historische Grenzen und ohne Staatsvolk. Die Grenze im Nordosten des Landes, die Demarkationslinie durch Kaschmir, ist nicht definitiv festgelegt. Weiter südlich verläuft die – hier als Grenze anerkannte – Teilungslinie mitten durch den seit Jahrhunderten geeinten Pundschab. Zwischen Pakistan und Afghanistan führt die Grenze durch das Stammesgebiet der Pathanen, die auf beiden Seiten praktisch in Selbstverwaltung leben und sich noch nie darum geschert haben, welche Staatsangehörigkeit sie nach internationalen Normen haben.

Schon bei der Teilung Britisch-Indiens waren es pathanische Mudschaheddin, die in Kaschmir einfielen, um ihren muslimischen Brüdern zu helfen, das versprochene Selbstbestimmungsrecht durchzusetzen – so, wie sie es verstanden. Jetzt, während des Siegeszuges der Taliban durch Nordafghanistan, kommen ganze Buskolonnen von Studenten der pakistanischen Koranschulen, um die Kader in den neu eroberten Gebieten zu stärken.

Bei der Entstehung der „westlichen“ Bündnissysteme in den vierziger Jahren sahen die USA anscheinend in der vagen staatsrechtlichen Struktur des vor allem religiös definierten Staates keinen Hindernis. Pakistan wurde gleich in beide von den USA dominierten „asiatischen“ Sicherheitssysteme (Cento, Seato) aufgenommen.

Während der Krieges gegen die kommunistischen Regierungen in Afghanistan und ihre sowjetischen Verbündeten wurde einerseits diese Sicherheispartnerschaft ausgebaut, andererseits drückte der Westen beide Augen zu, während Mudschaheddin aus der gesamten islamischen Welt sich den afghanischen und pakistanischen Gotteskriegern anschlossen. Nach getaner Arbeit funktionieren Afghanistan und Pakistan weiter als Schulungszentren für Terroristen und Söldner, und man trifft die dort ausgebildete internationale Truppe an vielen Brennpunkten von Kaschmir bis Algerien wieder.

Wie groß das Sicherheitsrisiko für die Welt ist, wird deutlich, wenn man bedenkt, daß das chronisch instabile Pakistan jetzt auch über Atomwaffen verfügt und daß saudische Milliarden im Land der Pathanen den internationalen Terrorismus finanzieren. Andrea Goldberg

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