Analyse: Den Rubel hart machen
■ Warum eine Währungsbehörde die Währungskrise nicht beheben kann
Der geschäftsführende Premierminister Rußlands, Viktor Tschernomyrdin, will endlich Fakten schaffen, die den Rubel stabilisieren. Eine Währungsbehörde (currency board) soll dafür sorgen, daß nur so viele Rubel gedruckt werden, wie Währungsreserven vorhanden sind. Wenn das funktioniert, wäre die russische Währung stahlhart. Wenn die Behörde den Wechselkurs einmal festlegt, sagen wir auf zehn Rubel pro Dollar, ist garantiert, daß die russische Notenbank für jeden Rubel einen zehntel Dollar im Rücken hat. Neue Rubel gibt es dann nur, wenn neue Dollars ins Land fließen. Aber kann das funktionieren?
Einige andere Länder haben bereits Erfahrungen mit solchen currency boards – zum Beispiel Estland, Bulgarien oder auch Argentinien, das seit 1991 auf diese Weise seinen Peso an den US-Dollar knüpft. In Argentinien hat das Experiment geklappt, allerdings mit buchstäblich hohen Kosten: Das Preisniveau ist enorm hoch, der Zinssatz ebenfalls, die internationale Konkurrenzfähigkeit argentinischer Produkte dafür um so niedriger. Die Arbeitslosigkeit stieg folglich drastisch an, nachdem die Währungsbehörde loslegte.
Was in Argentinien immerhin die Währung stabilisierte, könne aber im Falle Rußlands nicht klappen, glauben Experten. Schon allein deswegen, weil die Regierung ihren eigenen Vorschlag selbst nicht ernstzunehmen scheint. Tschernomyrdin hatte gleichzeitig angekündigt, die Notenpresse anzuwerfen, unter anderem um die lange ausstehenden Löhne endlich auszuzahlen und die Wirtschaft zu beleben.
Für die Rettung angeschlagener Banken könnte die Regierung unter einer Währungsbehörde kein Geld mehr lockermachen. Steigen die Zinsen, könnten die verschuldeten Banken reihenweise bankrott gehen. So geschah es jedenfalls in Estland, als die dortige Regierung der Hyperinflation 1992 mit einer Währungsbehörde den Garaus machte.
Wenn jeder Russe weiterhin jeden Rubel schnellstmöglich in Dollar tauscht, wären die Devisenreserven des Staates bald erschöpft, die inländische Geldmenge müßte damit einhergehend schrumpfen. Daher dürfte die Regierung den privaten Umtausch zumindest eine Zeitlang verbieten. Ausländische Investoren aber wird man nicht daran hindern, ihr Kapital abzuziehen. Wo Geld knapp ist, steigen die Zinsen – die Wirtschaft würde endgültig in den Ruin getrieben.
Das Risiko, daß eine Währungsbehörde scheitern und das ganze Land endgültig ins Chaos reißen würde, hat vor einigen Monaten den indonesischen Präsidenten Suharto von einem ähnlichen Plan abgebracht. Was die Anleger von Tschernomyrdins Ankündigung halten, ließ sich umgehend an der Devisenbörse ablesen: Der Rubelkurs stürzte sofort nach der Rede des Premiers am Freitag um mehr als 20 Prozent ab. Nicola Liebert
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