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AnalyseKönigsweg am Ende

■ Rot-Grün zielt auf eine Ökosteuer light, um die Wähler nicht zu vergraulen

Sie galt als Königsweg, gleichzeitig die Arbeitsplätze sicherer und die Umwelt sauberer zu machen. Sie versprach mehr Innovation in der Wirtschaft, mehr Effizienz beim Umgang mit den Ressourcen, mehr Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen ohne Jobkiller-Nebenwirkungen – und all das ohne höhere Steuern. Angekommen ist die Ökosteuer in der Realität von Koalitionsverhandlungen, die aus dem großen Wurf den Einstieg in den Einstieg in eine gerechtere, vernünftigere und umweltschonendere Steuerpolitik machen.

Die Ökosteuer ist von einer Lenkungssteuer zum ökologischen Umbau der Industriegesellschaft zu einem Finanzierungsmodell für staatliche Wohltaten geworden – mit allen Rücksichten auf den Druck der verschiedenen Lobbygruppen. Und so kann die SPD darauf dringen, den Benzinpreis um nicht mehr als 6 Pfennig zu erhöhen, auch wenn ihre eigenen Konzepte in der Vergangenheit die Erhöhung um 10 Pfennig vorsahen. So kann die SPD durch Franz Müntefering erklären, gerade die energieintensivsten Branchen wie Aluminiumwerke oder Autohersteller von einer Energiesteuer „weitgehend zu verschonen“ – dabei zahlen diese Großverbraucher bereits bisher die niedrigsten Strompreise auf dem liberalisierten europäischen Strommarkt. So wird sich die SPD mit ihrem Plan durchsetzen, eine Steuererhöhung auf die Kilowattstunde Strom durchzuführen – und nicht etwa den Einsatz der verschiedenen Energieträger wie Gas, Öl oder Kohle, nach ökologischen Gesichtspunkten gestaffelt, stärker zu besteuern und dabei die Kohle am stärksten zu belasten. Und so kann die Koalition in spe in ihrer Streichungsliste zwar Beihilfen für „inländische Kulturgüter“ oder „selbst bewohnte Baudenkmäler“ aufführen, aber gleichzeitig die insgesamt 70 Milliarden Mark an Subventionen für die deutsche Kohleindustrie bis 2005 ausklammern.

Die Grünen werden das akzeptieren. Nicht nur aus Koalitionsdiziplin, sondern vor allem, weil sie für die Idee der Ökosteuer langfristig Akzeptanz in der Bevölkerung erreichen wollen. Ist die Ökosteuer eingeführt, kann sie sich bewähren, und ein höherer Strompreis trifft die deutschen Autobürger weniger als ein angehobener Benzinpreis. 20 oder 30 Pfennig mehr für den Liter Benzin, das treibt das Volk auf die Barrikaden, egal, wie oft man den Menschen erklärt, daß sie das Geld ja über ihren Nettolohn wiederbekommen sollen und unterm Strich sogar besser fahren. Weder Automann Schröder noch die grünen Autogegner können sich den Eindruck leisten, die Autofahrer für eine Ökosteuer abzukassieren. Ganz anders als die Regierung Kohl übrigens. Die erhöhte seit 1990 die Steuern auf Benzin um sage und schreibe 31 Pfennig – und ließ das Geld in den Haushaltslöchern auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Bernhard Pötter

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