Analyse: Das Clinton-Problem
■ Republikanische Abgeordnete suchen eine pragmatische Lösung
Jetzt versuchen sich einige der Gegner Bill Clintons in Schadensbegrenzung. Nach dem mit der republikanischen Mehrheit gefällten Beschluß des US-Repräsentantenhauses, vor dem Senat Anklage gegen den Präsidenten zu erheben und damit ein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten, versuchen einige Republikaner, die Folgen gering zu halten. Vier Abgeordnete, die für die Amtsenthebung gestimmt haben, fordern nun in einem Brief an Senatssprecher Trent Lott, von der Amtsenthebung abzusehen und statt dessen eine Rüge auszusprechen. „Der Senat,“ schrieben sie, „sollte bei der Behandlung dieses Falles auch beachten, um welches Thema es bei den Falschaussagen des Präsidenten eigentlich ging, inwiefern es im Zusammenhang mit seinen Amtspflichten steht und bis zu welchem Grad sein Verhalten die Integrität und Funktionsfähigkeit der Regierung beeinträchtigt ... und den Willen der amerikanischen Wähler. Wir denken, diese Faktoren sollten den Senat zu der Überzeugung bringen, daß eine Lösung unterhalb einer Absetzung angebracht ist.“ Ähnliches haben Demokraten seit Monaten im Stehsatz.
Die Republikaner sehen sich mit der seit Monaten gleichen paradoxen Situation konfrontiert: Auf der formalen Ebene treiben sie das Amtsenthebungsverfahren mit immer größerem Erfolg einem unrühmlichen Ende entgegen – und gleichzeitig werden die Umfrageergebnisse für die Politik des Präsidenten immer besser, die Noten für die Republikanische Partei dagegen immer schlechter. Ganz kommen die Republikaner aus der Zwickmühle nicht mehr heraus. Ein vorzeitiger Abbruch des Verfahrens hätte sie Glaubwürdigkeit gekostet, eine Abstimmungsniederlage im Repräsentantenhaus die Fraktionsdisziplin. Zudem die Abstimmung im Haus eben nicht die Amtsenthebung bedeutete – und die Abgeordneten wußten, daß die dafür notwendige Zweidrittelmehrheit im Senat nicht zustande kommen würde.
So ist jetzt der Moment, das Verfahren sauber und vor allem schnell und möglichst ohne Gesichtsverlust über die Bühne zu bringen. Dazu gehört auch, wieder eine Verständigungslinie zu den Demokraten herzustellen, um in der kommenden Legislaturperiode, wenn die republikanischen Mehrheiten dünner sind, überhaupt politikfähig zu sein. Daß Senatssprecher Trent Lott vor diesem Hintergrund ankündigt, den Prozeß wie vorgesehen am 6. Januar beginnen zu lassen und bestenfalls dann nach einer anderen Lösung unterhalb der Amtsenthebung zu suchen, ist nur logisch. Immerhin wollen sich die Republikaner auch nicht die Blöße geben, jetzt einfach auf die Initiative des Vizepräsidenten Al Gore einzugehen, der lautstark eine Zweiparteien-Kommission gefordert hat, um einen Deal auszuhandeln. Bernd Pickert
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