Analyse: Pest oder Cholera
■ Beim Poker um Volvo ist Ford für die Schweden das kleinere Übel
Sechs Überlebende erwartete der Ford-Konzernchef Alex Trotman vor kurzem für das neue Jahrtausend. Um fast alles in der Pkw-Branche, was weniger als vier Millionen Autos jährlich produziert, ranken sich Fusionsgerüchte. Am konkretesten derzeit um Volvo, die schwedische Edelmarke und der letzte selbständige Autoproduzent des Landes. Die Frage ist nicht mehr ob, sondern wer? Wird es nicht Ford, dann Fiat, vermutlich in einer Paketlösung mit Mitsubishi. Bei Volvo macht man sich Mut: Eine Änderung der Eigentümerstruktur habe ja nichts mit der Warenmarke zu tun. Weder Ford noch Fiat sind Partner, in deren Gemischtwarenhandlung man sich seine Qualitätsautos hineinwünscht – doch Volvo kann sich kaum aussuchen, wer das Unternehmen denn nun aufkaufen sollte.
Bei der Wahl zwischen Pest und Cholera hätte man in Schweden Ford noch am liebsten gesehen. An den US-Konzern hätte man nur den Pkw-Teil verkauft, dafür Cash für den lukrativeren und überlebensfähigeren Lkw-Sektor bei Volvo bekommen, um auf diesem Markt dann selbst einzukaufen: Amerikanische und japanische Lkw-Marken stehen derzeit zu regelrechten Spottpreisen zum Verkauf. Ein solcher Deal hätte Volvo auf dem Lkw- wie Bus-Markt zu einem ernsthaften Konkurrenten von Mercedes machen können. Wenn Ford aber auch das Lkw-Bein Volvos haben wollte, würde das möglicherweise am Widerstand der Volvo-Großaktionäre scheitern, wie vor Jahren die damals schon unterschriebene Fusion mit Renault.
Die Lösung mit Fiat, die nunmehr schon so gut wie unter Dach und Fach sein soll, scheint zunächst weniger attraktiv. Vor allem auf der Pkw-Seite ist Fiat für Volvo alles andere als der Traumpartner. Seine einstige Topmarke Lancia hat Fiat in Grund und Boden gefahren, und Volvo braucht einen Partner, der auf dem US-Markt stark ist, und nicht wie Fiat in Südeuropa und Südamerika. Unter dem Fiat-Dach hätte Volvo als eigene Markte weniger Überlebenschancen als bei Ford. Bleibt ein möglicher Vorteil im Lkw-Sektor, wo Volvos dicke Brummis und die Eveco-Leichtgewichtler von Fiat sich gut ergänzen würden und Volvo schnell mit Mitsubishi und Renault unter einem Dach landen würde.
Der Volvo-Deal wird eher früher als später besiegelt werden, denn die Gerüchteküche tut dem Image der Marke nicht gut. Verdienen dürfen an ihr erst mal die Finanzanalytiker und Makler. Auch Volvos AktienbesitzerInnen haben kein Interesse an dauernden Spekulationen: Je mehr die Herren Piäch und Eaton von den düsteren Aussichten der Kleinen sprechen, desto geringer wird der Preis, den die Kleinen beim Ausverkauf ihrer Selbständigkeit akzeptieren müssen. Reinhard Wolff
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen