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AnalyseUnd wieder Lewinsky

■ Das Verfahren zur Amtsenthebung gegen Clinton nimmt eine neue Wende

Gerade, als es danach aussah, als könnte der unwirkliche Spuk des Impeachmentprozesses in dieser Woche zu Ende gehen, beweist er mit der Rückkehr Monica Lewinskys nach Washington noch einmal seine Sprengkraft. Der Skandal wird letztlich alle verschlingen, die mit ihm Umgang haben – das Weiße Haus, das Repräsentantenhaus, den Senat sowie das Oberste Gericht –, und er hat das Zeug dazu, das ganze amerikanische Regierungssystem in einer Mischung aus institutionellem Bürgerkrieg und parteipolitischem Grabenkrieg explodieren zu lassen.

Vor 14 Tagen hatte der Senat, vor dem der Antrag des Abgeordnetenhauses auf Amtsenthebung Bill Clintons verhandelt wird, mit Mühe einen Kompromiß erreicht, der eine Wiederholung des Parteiengezänks aus dem Repräsentantenhaus verhindern sollte. Mit dem Burgfrieden scheint es vorbei zu sein. Die Ankläger Clintons aus dem Abgeordnetenhaus sahen letzte Woche ihre Felle davonschwimmen. Bei den Stimmenverhältnissen im Senat – 45:55 für die Republikaner – ist eine Verurteilung Clintons, die eine Zweidrittelmehrheit voraussetzt, ohnehin unmöglich. Ihre einzige Chance sehen sie darin, Zeugen vorzuladen, deren Vernehmung wenn schon keine Meinungen ändern, so doch für den Präsidenten unendlich peinlich werden kann.

Ende letzter Woche kündigte der greise und einflußreiche Senator Robert Byrd an, er werde einen Antrag auf Einstellung des Verfahrens stellen, womit es keine Zeugenvernehmung geben würde. Da wollten die Ankläger aus dem Abgeordnetenhaus wenigstens selbst mit Monica Lewinsky sprechen. Sie stellen das als normale Vorgehensweise jeder Staatsanwaltschaft dar, die ihre Zeugen genauer kennenlernen will, bevor sie sie öffentlich vor Gericht befragt. Die Entscheidung, Zeugen zu vernehmen aber steht nach dem Kompromiß ausschließlich dem Senat selbst zu.

Entsprechend groß ist die Empörung unter den demokratischen Senatoren. „Die drehen durch“, sagte der demokratische Senator Leahy aus Vermont, „die haben keine Ahnung, wie der Senat funktioniert.“ Der demokratische Senator Harkin aus Iowa rannte nach der Senatssitzung dem vorsitzenden Obersten Richter nach, um ihm einen Antrag zu überreichen, der den Anklägern die Vernehmung Lewinskys untersagt hätte. Er erreichte nur noch dessen Sekretär. In der Tat können die Ankläger ohne Weisung des Senats keine Zeugen befragen. Lewinsky aber hat mit dem Sonderermittler Kenneth Starr eine Abmachung unterzeichnet, die ihr Straffreiheit nur gegen jederzeitige Aussagebereitschaft garantiert. Damit könnte Lewinsky von Starr zu weiteren Aussagen auch vor den Anklägern des Abgeordnetenhauses gezwungen werden. Peter Tautfest

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