Analyse: Strategie verwirrt
■ Olivetti will die privatisierte Telecom Italia feindlich übernehmen
Mit einem spektakulären Coup hat sich die noch vor zwei Jahren von der Pleite bedrohte italienische High-Tech- Firma Olivetti auf dem großen Aktienmarkt zurückgemeldet: Sie will im Handstreich alle Aktien des erst vor vier Jahren privatisierten Telefongiganten Telecom Italia übernehmen. Eine Akquisitionsofferte soll noch in dieser Woche lanciert werden: Verkaufswillige Anteilseigner sollen zehn Euro pro Aktie erhalten. Beim Börsenschluß am vergangenen Freitag betrug der Kurs noch 9,04 Euro. Bekommt Olivetti sämtliche Aktien, entspräche dies einem Gegenwert von mehr als 100 Milliarden Mark – die gelungene Übernahme wäre damit eine der größten in der europäischen Geschichte.
Die Telecom-Manager, Politiker und Börsianer reagierten verwirrt: Zum einen, weil Experten nach den Erfahrungen mit der British Telecom davon ausgehen, daß ein so großer Ex-Monopolist mindestens ein Jahrzehnt zur Transformation braucht. Zum anderen, weil Olivetti das Geld für die Übernahme ausgerechnet aus dem Verkauf von Anteilen seines gut laufenden Handy-Unternehmens Omnitel und des Telekommunikationsunternehmens Infostrada an die deutsche Mannesmann schöpfen will. Denn damit fällt immerhin eine wichtige Motivation weg: Synergieeffekte oder Rationalisierungen durch Zusammenlegung der Bereiche sind kaum zu erwarten, wenn Olivetti die eigene Telefonfirma zuvor weggibt. Allerdings könnte dieser Aspekt die bereits vorstellig gewordenen Gewerkschaften beruhigen.
Regierungschef Massimo D'Alema nannte die Pläne von Olivetti „mutig“. Er „wolle nur hoffen, daß der Atem des Konzerns auch ausreicht, die Sache durchzuführen“. Daß der italienische Staat, vertreten durch Schatzminister Ciampi, die von ihm noch gehaltenen gut drei Prozent der Telecom AG auf jeden Fall veräußern wird, ist klar – auch an Olivetti, wenn von dort das beste Angebot kommt.
DerTelecom-Generalbevollmächtigte Ettore Bernabel, der die Olivetti-Offerte „löchrig“ findet, deutete an, seine Firma könne eine Gegenoffensive starten, um den Kurswert der Aktien so zu steigern, daß sich der Kauf für Olivetti nicht mehr lohne. Auch der Handy-Betreiber Telecom Italia Mobile überlegt sich, ob er nicht ein Angebot machen soll. Olivetti-Sprecher halten dagegen, daß sich ein international renommiertes Bankenkonsortium, darunter die Chase Manhattan Bank und die größte Geschäftsbank Italiens, Mediobanca, zur Lancierung ihrer Offerte bereitgefunden habe und deren Seriosität damit außer Frage stehe. Innerhalb der nächsten zwei oder drei Wochen, so die Hoffnung der Olivetti-Führung, könne man die Akquise beenden. Um dann, dies bisher unter vorgehaltener Hand, auf europäischer Ebene Zusammenarbeit oder gar Fusionen vorzubereiten. Werner Raith, bw
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