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AnalyseTeufel und Beelzebub

■ Die Frage der Abtreibung stürzt die katholische Kirche in eine interne Krise

Wunder kommen selbst in der katholischen Kirche nicht auf Bestellung. Das merken die 71 Bischöfe, die derzeit in Lingen die Quadratur des Kreises versuchen: In der Schwangerschaftskonfliktberatung zu verbleiben, wie es die Mehrheit der KatholikInnen fordert, und gleichzeitig aus der Beratung auszusteigen, wie der Papst es befahl. Der nämlich hat vor einem Jahr den mühsam ausgehandelten Kompromiß zur Abtreibung zunichte gemacht, nach dem die eigentlich rechtswidrige Abtreibung nach einer Beratung straflos bleibt. Den Beratungsschein stellen auch die katholischen Beratungsstellen aus – und beteiligen sich so nach dem Verständnis Roms an der Tötung ungeborenen Lebens. Das sollte aufhören, forderte der Papst. Gleichzeitig solle die Kirche die Beratung der Frauen und ihren gesellschaftlichen Einfluß nicht aufgeben.

Teufel und Beelzebub Die Frage der Abtreibung stürzt die katholische Kirche in eine interne Krise

Wie soll das gehen? Weder die Aufhebung der Beratungspflicht – dokumentiert durch den Schein, der erst auf Drängen der Kirche eingeführt wurde – noch die Änderung des gesamten Gesetzes sind realistisch. Bleibt nur: Aussteigen wie es der Fuldaer Bischof Johannes Dyba vorgemacht hat – und abtreibungswillige Frauen aus den Beratungsstellen zu vertreiben. Oder aber den Frauen einen „Beratungs- und Hilfeplan“ anzubieten, der ihnen Unterstützung verbindlich und einklagbar anbietet.

Das Risiko für die Kirche ist hoch: Auf dem Spiel steht die Einheit der deutschen Bischöfe untereinander und mit dem Papst. Der Anspruch auf moralische Allgemeingültigkeit wäre verloren, wenn jeder Bischof für sein Bistum selbst entscheiden könnte, ob Schwangere weiter beraten oder aber als Mörderinnen diffamiert werden. Auch in anderen Fragen würde sich unter den Oberhirten der Spaltpilz breitmachen, wenn die Bischofskonferenz nicht mehr einheitlich entscheidet. Auf der anderen Seite wird an der Abtreibungsfrage geklärt, ob sich die katholische Kirche aus der Gesellschaft und der Politik verabschiedet. Die konservativen Prediger des Ausstiegs zielen nicht nur auf ihre eigene weiße Weste. Sie wollen vor allem eine schärfere Trennung von Staat und Kirche erreichen, weil die Kirche ihrer Meinung nach zu viele Kompromisse mit der Gesellschaft eingeht.

Die Bischöfe haben nur die Wahl zwischen Teufel und Beelzebub. Wenn sie jetzt eine endgültige Entscheidung fällen, riskieren sie entweder eine innerkirchliche Zerreißprobe oder das Ende der bisher engen Staat-Kirche-Beziehungen in Deutschland. Ein Ausweg wäre der „Beratungs- und Hilfeplan“ als vorläufige Maßnahme und die Hoffnung, daß sich die harte Haltung Roms in den nächsten Jahren ändert. Schließlich sind auch Päpste nicht unsterblich. Bernhard Pötter

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