Analyse zur Reinigungsbranche in Berlin: Mieser Lohn für saubere Arbeit

Reinigungskräfte werden schlecht bezahlt und arbeiten häufig unter prekären Bedingungen. Dabei gibt es längst Modellprojekte, die es besser machen.

Möglichst schnell möglichst viel putzen für wenig Geld: Reinigungskräfte arbeiten oft prekär Foto: picture alliance/dpa | Michael Kappeler

BERLIN taz | 200 Quadratmeter Treppe, also etwa 260 Stufen oder 13 Etagen – zu reinigen in einer Stunde Arbeitszeit. Klingt hochgradig unrealistisch? Ist es auch. Dennoch sind solche Angebote bei Vergabeverfahren für Reinigungsaufträge keine Seltenheit, so ein am Mittwoch veröffentlichter Bericht des Beratungsunternehmens Joboption Berlin.

Der in Kooperation mit dem DGB Brandenburg erstellte und von der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales geförderte Bericht analysiert die häufig prekären Beschäftigungsverhältnisse in der Reinigungsbranche – und sammelt Erfahrungen mit der sogenannten Tagesreinigung, einem Modellprojekt, das die Missstände zu überwinden versucht. Vorgestellt wurde der Bericht am Mittwochmittag mitsamt anschließender Diskussionsrunde.

Die schlechten Beschäftigungsverhältnisse seien demnach auf die Privatisierung der Gebäudereinigung öffentlicher Einrichtungen insbesondere in den 1990er Jahren zurückzuführen. So sei ein enormer Preiswettkampf entstanden, der letztlich auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werde.

Kein Wohlstandslohn

Zwar gibt es einen allgemeinverbindlichen Tariflohn, der mindestens 11,11 Euro pro Stunde vorschreibt. In Berlin beträgt der Vergabemindestlohn für Aufträge der öffentlichen Hand sogar 12,50 Euro. Doch das Problem liege in der „Qualität der Arbeit“, so Viveka Ansorge von Joboption Berlin zur taz. Schon der Tariflohn sei kein Wohlstandslohn. Doch primäre Probleme seien Vertragsbefristungen, fehlende Stunden und die mangelnde Wertschätzung für den Beruf.

Reinigungskräfte brauchen oft mehrere Jobs, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten

So geschehen Objektreinigungen meist „am Rande des Tages“. Reinigungskräfte betreten Büro- oder Schulgebäude für jeweils nur wenige Stunden im Morgengrauen – und spätabends, wenn alle anderen gegangen sind.

Ganze 75,2 Prozent aller Berliner Reinigungskräfte arbeiten lediglich in Teilzeit oder sogar in Minijobs, so der Bericht. Bundesweit würden etwa 465.000 Reinigungskräfte zwei Jobs gleichzeitig ausüben, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Gerade wegen der nächtlichen Arbeitszeiten habe sich unter Kun­d:in­nen zudem die Annahme verbreitet, gereinigt würde von magischer Hand, so Ansorge. Eine Wertschätzung fehle „fast völlig“.

Doch nicht nur die Reinigungskräfte sind unzufrieden. Seit Jahren werden öffentlich immer wieder auch die Arbeitsresultate kritisiert, wie etwa die unmöglichen Zustände in Berliner Schulklos. Zuletzt hatte die Neuköllner Initiative „Schule in Not“ im Mai 2019 die Rekommunalisierung der Schulreinigung gefordert, um dem Problem der fehlenden Hygiene zu begegnen.

Das Konzept der „Tagesreinigung“ sieht hingegen vor, die Reinigung öffentlicher Gebäude nicht mehr nachts oder frühmorgens durchführen zu lassen, sondern tagsüber, also während des regulären Betriebs. So könnten die Stundenkontingente der Reinigungskräfte erhöht, attraktivere Arbeitszeiten angeboten, die Sichtbarkeit der Reinigungskräfte gesteigert und schließlich auch die Arbeitsbelastung vermindert werden, so der Bericht.

Vorreiter dieses Konzepts war der Bezirk Treptow-Köpenick. Schon 2018 wurde hier ein Pilotprojekt zur Tagesreinigung in vier Bürodienstgebäuden gestartet. Ansorge erzählt, die Rückmeldungen seien „durchweg positiv“ gewesen, das Projekt sei schnell ausgeweitet worden.

Zuweilen erfordere das Konzept aber auch aufseiten der Beschäftigten viel Überzeugungsarbeit, berichtet etwa Manuel Hoffmann von der Reinigungsfirma Gleichfeld. Beschäftigte hätten sich in den Schulen zuweilen „herumgeschubst“ gefühlt. Nicht zuletzt stünden Sprachbarrieren einer gelungenen Kommunikation mit Schü­le­r:in­nen und Schulpersonal im Weg. Andere Reinigungskräfte hingegen berichteten von „Lächeln und Dank“ sowie einer gesteigerten Sichtbarkeit.

Verstärkte Sichtbarkeit nötig

Jens Korsten von der Gewerkschaft IG BAU brachte zudem seine Hoffnung zum Ausdruck, dass die verstärkte Sichtbarkeit auch zu einem „verstärkten Selbstbewusstsein“ und damit zu mehr Einsatz für die eigenen Arbeitsbedingungen führen könnte. Oliver Igel (SPD), Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick, glaubt auch an einen positiven Einfluss für die Schüler:innen: „Es ist ja auch ein Erkenntnisprozess, dass sie sehen, dass es Menschen gibt, die ihren Dreck wegräumen.“

Alle Ak­teu­r:in­nen hoben die Notwendigkeit für frühzeitige und umfassende Kommunikation hervor. Neben den Reinigungskräften selbst gelte es, die Hausmeister:innen, die Schulleitungen, die Schüler:innen, die Bezirke und die Unternehmen miteinzubeziehen. Insbesondere für die Schulen habe es sich als geeignet erwiesen, die Tagesreinigung zusätzlich zu den regulären Reinigungen einzuführen. So sei es möglich geworden, Aufgaben zu erfüllen, die „vorher gar nicht oder nur ansatzweise erfüllt worden“ waren, wie etwa eine zweite tägliche Reinigung der Toiletten, heißt es im Bericht.

Die Tagesreinigung verbessert also Arbeitsverhältnisse, schafft mehr Sauberkeit und steigert die Sichtbarkeit von Reinigungsberufen. Der Haken, warum die Politik diese paradiesischen Zustände nicht einfach schafft: Geld. So betrugen laut Bezirksamt Treptow-Köpenick die Mehrkosten pro Schule und Monat 1.000 bis 1.500 Euro. Zwar wurden den Bezirken im Haushaltsplan für das Jahr 2021 neun Millionen Euro für die Tagesreinigung zugesprochen. Die Gelder seien aber überwiegend für pandemiebedingte Reinigungsmaßnahmen verwendet worden. Gute Arbeit kostet eben gutes Geld.

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