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An der Front in der DR KongoBevor die Rebellen kommen

Im ostkongolesischen Butembo macht die „patriotische“ Jugend mobil. Die von Ruanda unterstützten M23-Rebellen sind nur noch 100 Kilometer entfernt.

Das Hotel „Believe“ wurde von Demonstranten verwüstet Foto: Georges Kisando

Butembo taz | Als die kongolesischen Rebellen der M23 (Bewegung des 23. März) Ende vergangener Woche die Stadt Kanyabayonga eroberten und in bisher von ihrem Krieg unberührte Gebiete vorzustoßen begannen, ergriff Panik die große Handelsstadt Butembo 150 Kilometer weiter nördlich. Zumeist männliche, jugendliche und unkontrollierbare Demonstranten errichteten Barrikaden auf den Hauptstraßen der Millionenstadt und begannen dann, Häuser anzugreifen.

Auf den Straßen wurde Feuer gelegt, Barrikaden verhinderten jede Bewegung, friedliche Mitbürger wurden gelyncht. Die Polizei spricht von zwei Toten. Andere Quellen zählen mindestens fünf.

Die luxuriöse Glasfassade des Believe Hotel auf dem zentralen Boulevard Président Joseph Kabila wurde mit Steinwürfen verwüstet. „Ausgangspunkt war das Gericht, wonach General Chiko Chitambwe (Kommandant der Armeeeinheiten, die Kanyabayonga an die M23 verloren hatten) sich in dem Hotel verbarrikadiert habe“, berichtet ein Motorradfahrer, der an dem Hotelerstürmung teilnahm. „Die Jungs wollten ihn zwingen, zurück an die Front zu gehen und das Kommando wieder zu übernehmen.“

Der Bürgermeister von Butembo erlaubte den Jugendlichen, dort nachzusehen. Sie fanden keinen einzigen Militärangehörigen im Hotel vor, kein Gast hatte irgendetwas mit der Armee oder mit den Rebellen zu tun.

Eine aufsässige, unruhige Stadt

Butembo, 350 Kilometer nördlich von Nord-Kivus Provinzhauptstadt Goma gelegen, gilt seit den 1960er Jahren als aufsässige, unruhige Stadt mit großem Selbstbewusstsein. Über die Großmärkte von ­Butembo läuft ein guter Teil des ostkongolesischen Außenhandels Richtung Ostafrika und Asien. 2021 gingen Massenproteste im Osten der Demokratischen Republik gegen die Anwesenheit der als unnütz empfundenen UN-Mission Monusco von Butembo aus; damals gab es Dutzende Tote.

Infografik: Infotext

„Wenn es Zusammenrottungen gibt, schließen sich immer als Erstes die Motorradfahrer an“, analysiert der Soziologe Mumbere Kalingene. Motorräder sind mangels eines geteerten Straßennetzes das Hauptverkehrsmittel für Waren und Personen in Butembo und der gesamten Region. „Sie waren es auch, die verlangten, dass die flüchtigen Soldaten zurück an die Front gezwungen werden müssen. Damit fing am Wochenende alles an.“

Giron Malule vom Komitee der Motorradfahrer der Stadt weist dies zurück. „Wir haben damit nichts zu tun. Unbekannte und Herumlungernde haben diese Unruhen provoziert. Ihr habt keine Ahnung, wie sehr das unsere Arbeit stört. Wir sind die Verlierer, weil wir keine Kunden mehr haben.“ Butembo zählt viele demobilisierte Angehörige lokaler Milizen sowie zahlreiche Aktivisten, die zu von Politikern in Kongos ferner Hauptstadt Kinshasa gesteuerten zivilgesellschaftlichen Gruppen gehören.

Aber das vergangene Wochenende ging über Straßenunruhen hinaus. So starben zwei kongolesische Mitarbeiter der britischen Hilfsorganisation Tearfund, als ihr Konvoi bei der Rückkehr aus einem Ort 45 Kilometer südlich von Butembo in der Nacht zu Montag am Ostrand der Stadt an einem illegalen Checkpoint aufgehalten wurde. Fünf Fahrzeuge gingen in Flammen auf.

In der Nacht zu Sonntag waren zwei Soldaten am Südrand von Butembo getötet worden – die Täter hielten sie für eingedrungene Rebellen. Im Stadtviertel Musimba wurde ein Jugendlicher getötet, der sich den „paramilitärischen „patriotischen“ Wazalendo-Milizen widersetzt hatte, ein anderer auf der Straße zum Flughafen erschossen.

„Die Wut ist legitim, aber sie muss kanalisiert werden“, meint der einflussreiche evangelikale Prediger Léon Syahava. „Wir zerstören unsere eigene Stadt bis hin zu unschuldigen Menschen.“ Mathe Saanane, Präsident der organisierten Zivilgesellschaft von Butembo, verurteilt die Gewalt ebenfalls: „Das spielt dem Feind in die Hände. Ich bin davon überzeugt, dass diese Jungs manipuliert wurden.“

Bevölkerung bejubelt erstmal die M23-Rebellen

Derweil setzen sich die M23-Rebellen in den Großstädten Kan­yabayonga, Kayna, Kirumba und Kaseghe gut 100 Kilometer südlich von Butembo fest. Überrascht verfolgen die Menschen in Butembo auf sozialen Medien Aufnahmen von jubelnden Menschenmengen, die die Rebellen begrüßen. Diese versprechen Frieden, Sicherheit und Bewegungsfreiheit ohne Angst Tag und Nacht.

„Das sind populistische Maßnahmen, die nicht von Dauer sein werden“, analysiert der Oppositionsaktivist Julio Vulendi. „Aber man muss sehen, dass diese Städte zuvor der Willkür der Armee ausgeliefert waren und manche Soldaten die Zivilisten schlecht behandeln. Und es ist so, dass die Rebellen jedes Mal, wenn sie eine Stadt erobern, als Erstes die restriktiven Maßnahmen des geltenden Kriegsrechts abschaffen. Das freut die Menschen, auch wenn man weiß, dass das nur von kurzer Dauer ist.“

Die Menschen in den Kriegsgebieten vermissen auch, dass ihre gewählten Politiker sich für sie einsetzen. „Als wir sie wählen sollten, kamen sie her; jetzt, wo wir dem Feind ausgeliefert sind, verstecken sie sich mit ihren Familien in Kinshasa und sagen nichts“, schimpft der in lokalen Medien sehr präsente lokale Politiker Akayesu Baba.

Man fürchtet auch die ökonomischen Folgen des M23-Vormarsches. „Wenn es ihnen gelingt, Butembo einzunehmen, gibt ihnen das einen enormen Zugriff auf ökonomische Ressourcen“, glaubt der Politologe Augustin Muhesi und verweist auf die Einnahmen der Rebellen am von ihnen kontrollierten Bunagana an der ugandischen Grenze.

Derweil hat sich die Kriegsfront vorerst etwas beruhigt. Die M23 richtet sich in ihren neu eroberten Orten ein, die Armee schickt auf Lastwagen Militärverstärkung Richtung Süden, was von der Bevölkerung in Butembo mit einer gewissen Teilnahmslosigkeit beobachtet wird.

„Alle hoffen, dass die Armee die Dinge wieder wendet, aber ohne daran zu glauben“, fasst der Würdenträger Musokoli Jean Dedieu die Stimmung zusammen. „In den früheren Kriegen wurde Butembo nie zum Schlachtfeld, Hoffentlich bleibt uns das Schlimmste erspart.“

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