Amy Chuas Lob des Drills: Lerne hart und pinkel wenig
Eine US-chinesische Autorin und Professorin mischt mit wilden Thesen die Bildungsdebatte auf. Nur Pauken und Strafen sorgen für den Erfolg des Nachwuchses, sagt sie.
"Battle Hymn of the Tiger Mother" heißt der Bestseller, und er hat der "Tiger-Mutter" Amy Chua in den USA wüste Beschimpfungen und sogar Morddrohungen eingebracht. Dass Passagen aus dem Buch unter dem provokanten Titel "Warum chinesische Mütter überlegen sind" im renommierten Wall Street Journal abgedruckt wurden, hat die bloggenden Mommys erst recht aufgebracht. Allerdings beginnt das amerikanische Bildungsbürgertum nun Chuas Thesen ernsthaft zu diskutieren.
Die Angst der Mittelschicht: Ist vielleicht doch etwas dran an den Erziehungsmethoden asiatischer Mütter? Immerhin ergattern deren Kinder so viele der begehrten Studienplätze in Harvard, Yale und Princeton wie keine andere ethnische Gruppe. Die Kinder der asiatischen Zuwanderer sind in allen Rankings weit vorn, asiatische Einwanderer gelten als Vorzeigeminderheit, die wirtschaftlich erfolgreicher ist als alle anderen Bevölkerungsgruppen.
Chuas Töchter Sophia (18) und Lulu (15) durften nie fernsehen, am Computer spielen oder bei Freundinnen übernachten. Sie mussten Mathe pauken und täglich mindestens zwei Stunden Klavier oder Geige üben. Ihre Mutter untersagte selbst Pinkelpausen. Wehe, wenn ihre Kinder etwas anderes als die beste Note nach Hause trugen. Klappte es nicht mit dem Geigenspiel, drohte die Mutter damit, Lulus Lieblingsstofftier zu verbrennen. Solche Extreme kommen bei anderen US-Bürgern chinesischer Abstammung oft nicht gut an: "Eltern wie Amy Chua sind der Grund dafür, dass ,Asian-Americans' wie ich beim Psychotherapeuten landen", schrieb die Journalistin Betty Ming Liu.
"Du kannst deinem Kind noch so oft sagen: Du bist großartig, du kannst alles – am Ende muss es sich in der Welt bewähren, und da weht ein anderer Wind", konterte Chua. Vorbild der 48-Jährigen, die am MIT und in Harvard studierte und heute Juraprofessorin in Yale ist, sind die eigenen Eltern: "Ihre hohen Erwartungen, zusammen mit ihrer grenzenlosen Liebe, waren ihr größtes Geschenk an mich."
Solche Prinzipien teilt Bonnie Liao, Mitgründerin der neuen Princeton International Academy Charter School. An dieser öffentlichen Schule im Staat New Jersey werden Kinder ab fünf Jahren von September an auf Chinesisch unterrichtet. "Wir alle wissen, dass man Disziplin braucht, um etwas zu erreichen", sagt Liao und verweist auf internationale Vergleichstests. "Westliche Eltern verlangen ihren Kindern zu wenig ab. Sie bauen nur ein künstliches Ego auf." Vom nächtlichem Pauken und drakonischen Strafen für schlechte Noten, wie es in manchen asiatischen Familien noch üblich sei, hält sie aber wenig: "In unserer Schule versuchen wir, das Beste beider Systeme zu verbinden."
Von dem Konzept überzeugt sind der Unternehmer Rob Thomas und die Umweltberaterin Holly Welles, die ihre vierjährigen Zwillinge für die Vorschulklasse der neuen Schule angemeldet haben. "Das chinesische Bildungsethos gefällt mir", sagt Thomas. "Und meine Kinder sollen sich später in einer globalisierten Wirtschaft bewegen können, in der China eine wichtige Rolle spielen wird."
Amy Chua sieht ihr Buch nicht als Erziehungsratgeber, sondern als selbstironische Beschreibung einer Mutter. Auch sie habe viele Prinzipien aufgeben müssen, weil die jüngere Tochter mit 13 rebellierte.
Gezähmt ist die Tiger-Mutter aber nicht. "Stünde ich noch einmal vor derselben Aufgabe, ich würde es genauso machen – mit kleinen Korrekturen", sagt Chua. Was sie am meisten erstaunt, ist die Darstellung ihrer Grundsätze als "chinesisch": "Hart arbeiten, nicht aufgeben, keine Ausflüchte suchen, Verantwortung übernehmen und selbständig sein – für mich sind das alles uramerikanische Werte".
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