Amüsant und süffisant: Bühne Bundestag
■ Die erste Biographie von Joschka Fischer
Noch nicht einmal fünfzig Jahre und dennoch Held einer Biographie. Die Journalistin Sybille Krause-Burger hat sich Joschka Fischers Werden und Wirken vorgenommen, nicht ganz freiwillig, wie sie schreibt, sondern vom Verlag geschubst. Herausgekommen ist was Schönes, höchst amüsant zu lesen und mit ganz reizenden Bildchen von Joschka mit dem Tretroller, Joschka mit der Einschulungswundertüte, Joschka mit Daniel Cohn-Bendit and anderen Lieben und Joschka im Raumschiff Bonn.
Amüsant ist die Biographie, weil die Autorin das Augenbrauenrunzeln nicht verbergen kann, die schönsten Höhenflüge von Joschkas revolutionären Ausflügen in die Welt der Fabrikarbeiter, in die Niederungen des Taxifahrergewerbes, der grünen Basisarbeit und endlich zum zweitenmal auf die Bundestagsbank stets mit süffisantem Ton kommentiert. Zum ersten Zwangsabschied aus Bonn im März 1985: „Nun aber würden diese Rotationsfetischisten [...] ihm alles wieder wegnehmen, was ihm selbst soviel Spaß gemacht hatte, würden ihm verweigern sich an Kohl [...] zu messen, sich dabei stark und stärker zu fühlen, würden ihm verbieten, dieses wunderbare Bundestagsspiel weiterzuspielen, würden ihn seiner Bühne berauben, würden ihm verwehren, sich selbst mit allem, was in ihm steckte, so zu spüren, wie er sich nie zuvor in seinem Leben gespürt hatte.“
Sybille Krause-Burger ist fasziniert von diesem Parlamentarier mit Haut und Haaren, von diesem Menschen der sich als allen Engen und Vorurteilen „selbst befreit“ hat, der die Debatte nicht nur liebt, „sondern sie ist“. Und sie ist ebenso fasziniert von diesem selbstverliebten Macho, neben dem zu bestehen schwer scheint (ja, auch die drei Ehen kommen vor) und der dennoch sensibel wie ein Seismograph agieren kann. Sehr gelungen im – aber nur hier – etwas drögen Kapitel über das Ministeramt in Hessen die Beschreibung des Vater-Sohn- Verhältnis „zum Dicken“, zu Holger Börner.
Das Buch ist eine Heldengeschichte, weil Joschka Fischer für die Autorin der interessanteste und lebendigste Politiker ist, den Deutschland zu bieten hat, aber es ist auch wieder keine, weil es ihr gelingt, jedes Pathos durch Ironie zu erden. Da wird sie Fischer gar ebenbürtig. Seine breit zitierten Analysen im Frankfurter Spontiblatt Pflasterstrand zur Entscheidung Straße oder Parlament und dann zu den bekannten Folgen trafen genau den gleichen Ton. Anita Kugler
Sybille Krause-Burger: „Joschka Fischer. Der Marsch durch die Illusionen“. Deutsche Verlagsanstalt, Frankfurt 1997, 255 Seiten, 39,80 DM
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