Amoklauf in Kanada: Mindestens 17 Tote
Im Osten Kanadas erschießt ein Mann zahlreiche Menschen. Das Motiv ist unklar, doch er scheint die Tat schon länger geplant zu haben.
In Portapique und benachbarten Gemeinden in der ostkanadischen Provinz Nova Scotia war in der Nacht zum Sonntag ein bislang unauffälliger Mann Amok gelaufen und hatte nach Polizeiangaben im Verlauf von rund zwölf Stunden mindestens 16 Menschen getötet. Zu den Opfern der Gewalttat gehören ersten Erkenntnissen zufolge unter anderem eine Polizistin und eine Lehrerin.
Der mutmaßliche Täter, ein 51-jähriger Zahntechniker aus Nova Scotia, soll bei seiner Tat eine oder mehrere Schusswaffen benutzt und auch Feuer gelegt haben. Die Polizei hatte alle Anwohner im Umkreis gewarnt, sich in ihren Kellern zu verstecken und dem Täter nicht nahe zu kommen.
Nach einer Verfolgungsjagd wurde er schließlich am Sonntagmittag Ortszeit an einer Tankstelle von der Polizei gestellt und kam dabei nach einer Schießerei ums Leben. Zuvor hatte er während der Nacht mehrfach sein Fluchtauto gewechselt und zeitweise auch einen vermeintlichen Polizeiwagen zur Flucht genutzt. Zur Tarnung soll er auch eine Polizeiuniform getragen haben.
Rätselraten über das Motiv
Dies spreche dafür, dass der Mann die Tat geplant habe, meinte Polizeichef Chris Leather noch am Abend bei einer Pressekonferenz. Möglicherweise sei ihm im weiteren Verlauf dann aber die Kontrolle entglitten. Nach Angaben der Polizei kannte der Täter offenbar nur einen Teil seiner Opfer. Die anderen seien wohl mehr oder weniger zufällig in seine Schusslinie geraten.
Die Getöteten sind laut Polizei an mehreren Tatorten in Nova Scotia gefunden worden. In einem Wohnhaus in Portapique seien die Ermittler dabei gleich auf mehrere Tote gestoßen. Leather sprach von „chaotischen Szenen“. Auf weiteren Grundstücken brachen offenbar Feuer aus. Augenzeugen in Portapique sprachen von mindestens drei verschiedenen Brandherden.
Über die Motive für die Bluttat herrscht in Kanada Rätselraten. Der mutmaßliche Amokläufer Gabriel W. galt laut kanadischen Medien als unauffällig und beliebt. Nachbarn des Täters zeigten sich schockiert. „Wir können es nicht glauben, dass jemand, den wir schon lange kennen und schätzen und der so hilfsbereit ist, zu einer solchen Tat fähig ist“, erklärte Nachbarin Lillian McCormick dem Sender CTV.
„Ich bin sehr überrascht“, meinte David George Crockett, ein weiterer Nachbar. „Ich kannte ihn als einen ruhigen und gutmütigen Menschen, mit dem man sich ungezwungen unterhalten konnte. Er war nett und machte auch gerne Späßchen“, sagte er der kanadischen Zeitung Toronto Sun. Laut Handelsregister besaß Gabriel W. eine Praxis für Zahnprothesen, die seit der Coronakrise allerdings geschlossen ist.
Der Täter, ein hilfsbereiter Autonarr
Nach Aussagen von Nachbarn soll der mutmaßliche Amokläufer neben seiner Praxis mindestens drei Häuser oder Grundstücke in Portapique besessen haben, einer kleinen Feriensiedlung nahe am Meer. 2014 war er im lokalen Fernsehen wegen seiner gemeinnützigen Arbeit für Bedürftige gewürdigt worden, nachdem er krebskranken Patienten kostenlos Gebisse angefertigt hatte.
Gabriel W. galt laut kanadischen Medien auch als Autonarr. Auf Auktionen soll er immer wieder alte Polizeiwagen gekauft haben, die er danach aufmöbelte. In einem Porträt in einem alten Schuljahrbuch schreibt eine Mitschülerin, Gabriel W. wolle womöglich eine Karriere bei der Bundespolizei einschlagen. Zu der soll es allerdings nie gekommen sein, wie die kanadische Polizei gestern bestätigte.
Nach allem, was die kanadischen Behörden bislang wissen, hat Gabriel W. allein gehandelt. Für terroristische Motive gebe es keine Anhaltspunkte. Kanadas Premierminister Justin Trudeau sprach während seiner täglichen Pressekonferenz zur Coronakrise von einer furchtbaren Situation. „Mein Mitgefühl geht an all jene, die von dieser Tragödie betroffen sind“, so Trudeau.
In Kanada sind Amokläufe oder Schießereien, anders als in den USA, selten. Kanada hat strengere Waffengesetze und harte Auflagen für Schützen. Zur bislang schlimmsten Schießerei war es 1989 gekommen, als ein Frauenhasser in Montréal 14 Frauen und sich selbst tötete. 1972 waren in Montréal 37 Menschen ums Leben gekommen, als ein Brandstifter einen Nachtclub in Flammen setze.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins