American Pie: Kopf aus dem Sand
■ Die Dallas Cowboys und ihre neue Politik des guten Benehmens
The day the music died
Helmut Markwort kann froh sein, daß sein kleines Sensationsblättchen nicht in den USA erscheint. Zwei Millionen Dollar Schadenersatz mußte kürzlich ein lokaler Fernsehsender in Fort Worth, Texas, zahlen, und es ging dabei keineswegs um zusammengebrochene Banken oder ähnlich große Dinge, sondern um eine simple üble Nachrede gegen zwei Footballspieler. Im vergangenen Dezember hatte eine frühere Stripteasetänzerin die beiden Stars der Dallas Cowboys, Michael Irvin und Erik Williams, der Vergewaltigung bezichtigt. Der Sender KXAS hatte zuerst in großer Aufmachung darüber berichtet. Die polizeilichen Ermittlungen kamen jedoch zu dem Ergebnis, daß die junge Frau die Geschichte erfunden hatte, was sie später auch zugab. Nun steht ihr ein Prozeß wegen Falschaussage bevor, die beiden Cowboys dürfen sich mit je einer Million Dollar von KXAS trösten.
Zunächst hatte die Story durchaus glaubwürdig gewirkt, was vor allem am lädierten Ruf der beiden Beschuldigten, am schlechten Image der Dallas Cowboys und am fragwürdigen Auftreten vieler Profisportler in den USA lag. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht irgendein Sportprofi wegen irgendeines Vergehens in die Schlagzeilen gerät. Die Palette reicht von harmlosem Marihuanagenuß über Kokainkonsum, Schlägereien, Trunkenheit am Steuer bis zur besonders häufigen sexuellen Gewalt. Zuletzt zwei Starspieler des Soccer-Champions Washington D.C. United: Der Argentinier Mario Gori und Raúl Diaz Arce aus El Salvador wurden am Montag wegen des Verdachts der Vergewaltigung verhaftet.
„Haltet eure Nasen sauber“, hatte Jerry Jones, Besitzer der Dallas Cowboys, im Januar seine Spieler aufgefordert, als diese sich nach der Playoff-Niederlage gegen Carolina in den Urlaub verabschiedeten. Diesmal beließ es der Cowboys-Boß, der schon fünf Drogensperren wichtiger Spieler, darunter auch Irvin, hinnehmen mußte, allerdings nicht beim Reden. Nachdem ihn eine Delegation älterer Akteure, allen voran die beiden Superstars Troy Aikman und Emmitt Smith, aufgefordert hatte, schärfer durchzugreifen, verkündete er eine neue „Politik des guten Benehmens“.
Zum ersten Mal in der NFL wurden Überwachungskameras in den Fluren eines Trainingscamps eingesetzt. Eine Maßnahme, die sogar Michael Irvin begrüßte, obwohl er nach wie vor gern Mitspieler zum nächtlichen Kartenspiel überredet. „Ich denke, daß diese Kameras uns helfen“, sagte der Wide Receiver. „Ich wünschte, sie wären in der Vergangenheit dagewesen.“ Verschiedene Etablissements, unter anderem das Cowboy's Sports Café und das gern frequentierte Stripteaselokal Exposé, wurden zur verbotenen Zone erklärt. Eine Schar von Detektiven schwärmte aus, um der Maßnahme Nachdruck zu verleihen. „Kein großer Verlust“, sagte eine Exposé-Angestellte, „die meisten dieser Typen waren lausige Trinkgeldgeber. Sie sind gewöhnt, alles umsonst zu bekommen.“
Früher, so Quarterback Troy Aikman, hätte der Klub „den Kopf in den Sand gesteckt“, nun, verkündet Jerry Jones, sei „der gute Wille aufgebraucht“. Das bekamen zwei Spieler zu spüren, die gegen den Kneipenbann verstießen und prompt aus dem Kader flogen, aber auch Coach Barry Switzer, der mit einer geladenen Waffe am Flughafen erwischt wurde. Ihm brummte Jones eine Strafe von 75.000 Dollar auf, die höchste, die ein NFL-Coach je bekam.
Solchermaßen geläutert, denken die Cowboys vor dem Saisonstart am 31. August an nichts Geringeres als die Super Bowl. Emmitt Smith endlich gesund, Aikman bestens gelaunt und in guter Form, Irvin, der sich kurzzeitig mit Rücktrittsgedanken getragen hatte, schneller und bissiger denn je. Das erste Vorbereitungsmatch gegen die St. Louis Rams verlief trotz des 34:31-Sieges eher ernüchternd. „So können wir in zwei Wochen nicht spielen“, meinte Switzer, und Emmitt Smith befand schlicht: „Es war eine Komödie.“ Matti Lieske
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