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American Pie„Wir älteren Akteure schütteln oft den Kopf“

■ Gespräch mit dem Basketballspieler Detlef Schrempf von den Seattle SuperSonics

And there we were all in one place

taz: 13 Jahre NBA, im Berufssport eine lange Zeit. Was hat sich in groben Zügen verändert?

Detlef Schrempf: Vieles. Gerade finanziell gesehen, ist die Liga enorm groß geworden. Die NBA ist inzwischen ein Milliardenunternehmen, und das hat sich auf Besitzer und Spieler ausgewirkt. Basketball ist Entertainment, vielleicht der größte Unterhaltungssport der Welt. Die Hallen sind immer voll, die Leute wollen aber nicht nur Show, sondern auch interessanten Sport sehen. Weniger positiv ist, daß viele Akteure schon zu Beginn ihrer Karriere viel Geld erhalten – ohne überhaupt etwas gewonnen oder geleistet zu haben. Dadurch ist die Einstellung anders geworden, egoistischer. Der Mannschaftssinn ist weniger ausgeprägt als früher, denn jeder denkt, er sei ein Superstar, und hat den Anspruch, entsprechend behandelt zu werden.

Nehmen diese „selbstgemachten Stars“ überhand?

Die NBA hat sicher wesentlich dazu beigetragen, hat einige Spieler, wie vor einigen Jahren Larry Johnson, riesengroß aufgebaut. Dann ist jedoch aus vielen bisher überhaupt nichts Richtiges geworden. Man sucht krampfhaft nach Nachfolgern für Larry Bird, Magic Johnson oder Michael Jordan und versucht junge Spieler in deren Rolle zu drängen. Doch noch hat man keinen passenden Ersatz gefunden.

Sind Aussetzer von Spielern wie Latrell Sprewell, der seinen Trainer in der letzten Saison tätlich angegriffen hat, Einzelerscheinungen?

Heutzutage haben die Spieler mehr Einfluß auf das, was in einem Verein passiert. Sie können überall mitreden und verdienen viel Geld. Erhält ein Star beispielsweise zehn Millionen und der Trainer nur eine Million Dollar, denkt sich der Spieler natürlich: „Was kann der mir schon sagen?“ Diese Einstellung ist weitverbreitet. Wir, die älteren Akteure, schütteln oft nur noch den Kopf über das, was die Jungen da oft loslassen. Aber andererseits, das ist doch nicht nur im Basketball so – Sport ist lediglich ein Spiegelbild unserer Gesellschaft.

Sie sind mit 35 nicht mehr der jüngste, Ihr Vertrag läuft noch bis Juli 1999. Könnten Sie sich danach einen Wechsel ans andere Ende der USA, z.B. nach New York oder Miami, vorstellen?

Man weiß im Profisport nie, was passiert. Vom familiären Standpunkt aus gesehen möchte ich nirgendwo anders hin. Meine Kinder gehen in Seattle zur Schule, haben hier ihren Freundeskreis aufgebaut. Natürlich kann ich jederzeit vom Club getradet werden, aber da mache ich mir jetzt keine Gedanken. Wenn es nach mir geht, beende ich meine Karriere in Seattle.

Gedanken über die Zukunft nach der NBA, die gibt's aber doch sicher schon?

Ich habe mit meinem Agenten eine Reihe geschäftlicher Projekte begonnen, da würde ich dann erst mal einsteigen und sehen, wie mir das Business gefällt.

Wäre ein Job als Trainer oder Assistenztrainer vorstellbar?

Das könnte man sicher immer noch machen, aber ich glaube, ich möchte erst mal nicht so viel reisen und mehr Zeit zu Hause verbringen, endlich mal Winterurlaub haben, an Weihnachten irgendwas mit der Familie unternehmen... eben Sachen tun, für die bisher kaum Zeit blieb.

Gibt es neben Fußball andere Sportarten, die Sie interessieren?

American Football mag ich sehr, ein bißchen auch Baseball und natürlich Tennis, auch wenn nicht mehr so viel los ist, nachdem Boris halbwegs aufgehört hat, Steffi verletzt war und Agassi und Courier nicht mehr oben dabeisind. Außerdem mische ich beim Golf kräftig mit und veranstalte sogar bei mir zu Hause jedes Jahr ein Wohltätigkeitsturnier. Eishockey, nein, weniger, schließlich gibt es in Seattle auch keine eigene Mannschaft. Interview: Peter Kränzle

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