American Pie: Das weibliche Brasilien
■ Zur Steigerung ihres Ruhms brauchen die Fußballerinnen aus den USA eine Liga
And maybe they'd be happy for a while
„Ihr habt uns dazu gebracht, daß wir uns vor Stolz und Freude die Lunge aus dem Hals schrien“, teilte Bill Clinton gewohnt pathetisch den Fußball-Weltmeisterinnen aus den USA mit, die am Montag zum Empfang auf dem Rasen des Weißen Hauses in Washington angetreten waren. Zur Belohnung bekam der Präsident ein Trikot mit der Nummer 99 überreicht. Nach wie vor ist die Begeisterung in den USA über den Sieg beim größten Frauensportereignis aller Zeiten groß, dennoch wird es nicht einfach, der kurzfristigen Euphorie eine rosige Zukunft folgen zu lassen. Denn diese kann nur heißen: Gründung einer Profiliga der Frauen, so wie es die WNBA nach dem Olympiasieg der Basketballerinnen 1996 in Atlanta mit Erfolg vorführte.
Die Vorzeichen für einen kommerziellen Durchbruch bezeichnen Wirtschaftsbosse im Lande als eher durchwachsen. Zwar sei die Situation günstig, doch anders als bei den Basketballerinnen, deren Liga von dem florierenden Unternehmen NBA getragen wird, gibt es im Fußball die Major League Soccer der Männer, die aufgrund ihrer schwachen TV-Ratings bei der Wirtschaft in keinem guten Ruf steht. Die Frage ist auch, wie die männlichen Fußballprofis damit umgehen, wenn die stärkeren Frauen ihren Platz im nach wie vor limitierten Markt beanspruchen. US-Frauentrainer Tony DiCicco hatte mehrfach in Sepp-Blatter-Manier das Fußballhaus in seiner Gesamtheit beschworen, den Männerfußball als einen Teil des Erfolges der Frauen herausgestellt, aber auch unmißverständlich erklärt: „Ich beabsichtige, mit dieser Frauenmannschaft den Stellenwert zu erreichen, den die brasilianischen Männer daheim und weltweit haben.“
Individuell ist es derzeit noch schwierig, die Fußballerinnen ohne eine Ligapräsenz im großen Stil weiter zu vermarkten. Topstars wie Mia Hamm, die allein aus Werbeeinnahmen über eine Million US-Dollar pro Jahr verdient, Kristine Lilly, Michelle Akers und Shannon MacMillan haben ihre Schäfchen im trockenen. Aber außer bei Brandi Chastain, ob ihres Elfmetertores im Finale gegen China und ihrer Nacktfotoaktionen, sowie Torhüterin Briana Scurry, die den entscheidenden Strafstoß im Elfmeterschießen parierte und gerade einen Vertrag mit Pepsi-Cola abschloß, ist es kaum möglich, mit neuen Gesichtern den Markt zu erobern. Die hoch akzeptierten TV-Spots von adidas, Nike und Gatorade waren Event-bezogen auf die WM und sind ausgelaufen. Man werde aber mit den Spielerinnen weiterarbeiten, erklärte Tommy Kain, Fußball-Marketingboss von Nike. Olympia 2000 in Sydney sei das nächste Ziel.
„Es kommt jetzt darauf an, was wir aus der WM national und international machen“, meint Brandi Chastain. Unter diesem Gesichtspunkt kommt der Welttournee der US-Frauen mit Spielen in Afrika, Europa, der Karibik und in Australien besondere Bedeutung zu. Nur so kann sich der Olympiasieger und Weltmeister weiter in den Schlagzeilen halten.
Von 18 Millionen registrierten Kickern in den USA waren schon vor der WM 41 Prozent weiblich und 76 Prozent unter 18 Jahren. Die Sechs- bis Elfjährigen stellen mit 44 Prozent die größte Gruppe. Bei dieser Altersklasse ist Fußball bereits mit großem Abstand der beliebteste Sport hinter Basketball. Klar ist auch: Die WM hat für den Nachwuchs ihr Ziel erreicht. Es wird noch mehr Mädchen geben, die so sein wollen wie Mia Hamm.
Da die nächste WM, voraussichtlich in Australien, erst im Jahre 2003 stattfindet, sollte aber spätestens bis 2001 eine Liga her, um das Geschäft profitabel zu erhalten. Skeptiker warnen jedoch vor zu großen Erwartungen und geben zu bedenken, daß die angebetete Mia Hamm schließlich nur in einem einzigen Team spielen könne.
Rainer Hennies
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