American Football in Europa: Paris macht Hamburg nass

Die Sea Devils haben eine durchwachsene Saison in der European League of Football. Die Kritik an der angeblich besten Liga Europas reißt nicht ab.

Männer in Football-Kluft stehen auf Rasen, von der Seite sprüht Wasser auf sie

Taktische Anweisungen im Sprühnebel: die Sea Devils im Stadion Hoheluft Foto: Alina Götz

HAMBURG taz | Noch zwei Spiele, dann ist die „durchwachsene Saison“ für die Footballer der Hamburg Sea Devils vorbei. So bezeichnet Geschäftsführer Max Paatz die aktuelle Spielzeit in der European League of Football (ELF) – in der man in den vergangen zwei Jahren jeweils im Finale gestanden hatte. Dass das in diesem Sommer anders ist, sei aber fast ein bisschen einkalkuliert gewesen. „Wir vollziehen gerade einen Generationenwechsel“, sagt Paatz.Die „jüngste Mannschaft in der ELF“ mit teilweise sehr unerfahrenen Spielern müsse sich erst einmal finden.

Zudem habe sich die Liga extrem weiterentwickelt, die Mannschaften seien stärker geworden, so Paatz. „Wir gehen den Weg mit der Gewissheit, dass wir mit dem Investment in der Zukunft oben mitspielen können.“

Im vorletzten Heimspiel des Sommers verloren die Sea Devils gegen die Paris Musketeers mit 19:29. Rund 4.700 Menschen sahen die erste Saisonniederlage im heimischen Stadion Hoheluft. Die knappe Niederlage im Hinspiel in Paris konnten sie damit nicht wettmachen. Auch die letzte theoretische Chance auf die Playoffs, also die K.-o.-Runde der Liga, ist dahin.

Nachdem Paris früh den ersten Touchdown erzielt hatte, führte Hamburg zur Halbzeit sogar mit 16:14. Immer wieder hatten sowohl Angriff als auch Verteidigung gute Momente. Doch dann ging nicht mehr viel. Nächste Woche kommt das starke Frankfurt Galaxy – in diesem Jahr die letzte Chance auf einen Heimsieg.

Sea Devils wildern bei Hamburger Clubs

Die ELF wurde erst vor drei Jahren mit der Idee gegründet, die beste Liga Europas zu schaffen und den Sport Football auch auf dieser Seite des Atlantiks voranzubringen.

Die European League of Football (ELF), gegründet 2020, befindet sich in ihrer dritten Saison. Initiator ist Patrick „Coach“ Esume, ein ehemaliger deutscher Footballspieler und -trainer.

Die Teams sind als Unternehmen Lizenznehmer der Liga, die nach einem Franchisesystem organisiert ist.

Gestartet mit acht Teams, spielen aktuell 16 aus neun Ländern um den Titel. Die Liga soll weiter wachsen.

Aus Deutschland nehmen neben den Sea Devils derzeit Berlin Thunder, Frankfurt Galaxy, Cologne Centurions, Stuttgart Surge, Munich Ravens und Rhein Fire aus Düsseldorf teil. Leipzig musste mitten in der Saison wegen finanzieller Probleme aufgeben.

Die Playoffs und das Finale finden im September statt.

Die jungen Spieler holen die Sea Devils zum Beispiel von den Hamburg Huskies. „Die haben ein hervorragendes Jugendprogramm“, findet Paatz. Die Huskies spielen mit ihrem U19-Team in der Jugendbundesliga, der höchsten deutschen Spielklasse. „Wir gucken immer hier und um Hamburg nach Talenten.“ Aus den USA darf jedes ELF-Team nur vier Spieler haben.

In Hamburg laufe das Buhlen um Spieler eher partnerschaftlich, sagt Paatz. So auch mit den Huskies: „Denen ist auch daran gelegen, dass sie ihren Spielern nach der Zeit im Jugendbereich eine gute Adresse bieten.“ Und wenn Spieler die Sea Devils verlassen – ob freiwillig oder durch eine Entlassung – informiere man die Vereine und versuche, den Spielern zu helfen.

Axel Streich ist im Vorstand der höchsten deutschen Liga, der German Football League (GFL). Er sieht die Konkurrenz durch die ELF nicht ganz so entspannt. „Die ELF ist nach wie vor ein Staubsauger, der ordentlich Spieler abzieht.“ Aus den Bundesligen, aber auch aus den Regionalligen. Natürlich komme es auch vor, dass Spieler aus der ELF in die deutschen Ligen zurückwechseln. „Das sportliche Niveau von ELF und GFL ist ungefähr gleich. Die ELF hat den Anspruch, die beste Liga Europas zu sein – das sehen wir im Moment noch nicht so.“

Die Spieler aus der GFL gingen nicht unbedingt wegen des Geldes in die ELF. In beiden Ligen seien nur vereinzelt Profis unterwegs. „Der Rest sind nach unserem Wissen Amateure.“ Aber: Die Liga werde mit hohem Aufwand vermarktet, im Fernsehen übertragen. Ausgewählte Spiel sind live zu sehen. „Es ist nachvollziehbar, dass die mehr im Rampenlicht stehen wollen.“ Im Bereich Vermarktung habe die GFL aufzuholen, sagt Streich folgerichtig. Doch die Liga bestehe aus Vereinen, die zu 95 Prozent ehrenamtlich arbeiteten. „Vereine sind eben Vereine und keine Unternehmen mit Investoren.“

Ein weiteres Team in Hamburg sind die Blue Devils. Diese haben in den letzten Jahren nationale und internationale Titel geholt. Derzeit spielt das Männer-Team in der Dritten Liga, langfristig will man wieder in die Erste. Die Sea Devils scheinen das Team zumindest nicht direkt zu beeinträchtigen: „Im Bereich der erwachsenen Spieler ist bei uns keine signifikante Abwanderung zu spüren gewesen“, seit es die ELF gibt, sagt Blue-Devils-Vorstand Daniel Eggert. Doch bei den U19-Spielern verändere sich das. „Hier müssen wir als eingetragener Verein es schaffen, ohne ‚Lockmittel‘ in Form von Geld ein Angebot zu schaffen, das bei den jungen Erwachsenen Anklang findet.“

Der Football-Hype ist ein NFL-Hype

Ob die ELF den Sport vorangebracht hat? „Ich denke nicht, dass die Installation einer Liga oberhalb der bestehenden Struktur mit dem Selbstverständnis, ab jetzt das beste Produkt am Markt zu sein, den Sport maßgeblich voranbringt.“ Ähnlich sieht es Streich: „Man spricht immer von dem Football-Hype. Dabei ist es vielmehr ein NFL-Hype.“ Die NFL ist die Football-Liga in den USA, die beste Liga der Welt. Die Einschaltquoten in Deutschland sind in der Vergangenheit ständig gestiegen.

Dennoch sagt Eggert von den Blue Devils: Die ELF könne durch die erhöhte Sichtbarkeit der Sportart durchaus einen positiven Einfluss auf den Vereinssport haben. Menschen würden motiviert, den Sport auszuprobieren. Da dies in der ELF aber nicht möglich sei, würden sich die Interessierten an die Sportvereine wenden. „Wenn das dann die Hauptaufgabe wird, die den Sportvereinen zufällt, dann ist mir das auch recht.“ Junge Menschen ausbilden oder sich sogar freuen, dass die Ausbildung im Verein scheinbar dafür reicht, Spieler in die „vermeintlich beste Liga Europas“ zu schicken, ist Eggert wichtiger, als sich darüber zu ärgern, dass ein Spieler nun ELF spielt. „Gerade in einem Ballungsraum wie Hamburg mit zeitweise zehn bis zwölf Footballteams im Umkreis von 100 Kilometern ist sowieso immer eine Konkurrenz bezüglich verfügbarer Spieler vorhanden gewesen.“

Die Situation für die Vereine wird nicht leichter: Die ELF will weiter wachsen. Die Liga habe eine „große Zukunft“, sagt Paatz und verweist auf das Feedback in den Medien und vor Ort: In Hamburg haben die Sea Devils in dieser Saison im HSV-Stadion vor 32.000 Menschen gespielt, vor einer Woche vor 13.000 in Düsseldorf – beide Male gegen das Top-Team Rhein Fire. Auch die Einschaltquoten seien teilweise „sensationell mit über sieben Prozent“, manche Spiele hätten dann wieder weniger Zuschauende.

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