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Ambivalentes Großstadt-Kammerspiel

Drei im Keller: In Simon Aebys Spielfilmdebüt „Three Below Zero“ wird eine New Yorker Waschküche zur Bühne für Grunge-Ästhetik, zwischenmenschliche Scharmützel und philosophische Anwandlungen

Zunächst zeichnet Three Below Zero ein rasant-oberflächliches Bild von New York City. Unterlegt mit einer schmissigen Post-Grunge-Schnulze gibt es Yellow Cabs im Zeitraffer zu sehen, ein paar Skyline-Einstellungen und allerlei sonstiges urbanes Bildrepertoire. Dann geht es unter die Erde: Die erste als inszeniert erkennbare Sequenz, Auftakt der Handlung ist der Streit zweier Twentysomethings – in einer U-Bahn-Station.

Einer der beiden wird sich als Protagonist herausstellen: Julian Fincher (Wes Bentley), Schlagzeuger einer Rockband. Später wird diese Auseinandersetzung in einen Konflikt um unabhängiges Musikmachen und die Verlockungen der Industrie eingeordnet: Die Frage, ob man einen Major-Vertrag unterschreiben solle oder nicht, dient zum Symbol für „das perverse Verhältnis von Kunst und Geld“, wie Julian es formuliert. Wäre Three Below Zero zur Hochphase von Grunge und Ausverkaufs-Panik entstanden, könnte man ihn bis dahin in einem so spezifischen wie kurzlebigen Musikfilm-Untergenre zwischen Singles und ähnlich gelagerten Alternative-Dramen ansiedeln.

Gedreht hat der vormalige Werbefilmer Simon Aeby sein Langfilm-Debüt allerdings 1998, da war diese Diskussion eigentlich erledigt, und eine Figur wie der selbst erklärte Underdog Julian, Kerouac lesender Romantiker im Karohemd, zeugt von eher mäßiger Beobachtungsgabe. Doch ist die vermeintliche Popkulturnähe ohnehin ein Nebenaspekt, Kolorit. Julian wird zudem so wenig zu einem tatsächlichen Charakter ausgeleuchtet wie die beiden Frauen, mit denen er während eines Sommergewitters im Waschkeller seines Mietshauses eingesperrt wird und so die titelgebenden „Drei unter Null“ bildet: Muriat Greenberg (Kate Walsh), eine anfangs als unnahbar inszenierte Dachgeschoss-Bewohnerin, die statt Flaschenbier lieber importiertes Mineralwasser trinkt; schließlich Nora Littman (Judith Roberts) eine distinguierte, allein stehende ältere Dame, die nur selten in die Niederungen der Gemeinschaftswaschküche herabsteigt.

Es geht Aeby also darum, drei exemplarische, tja, Typen in eine isolierte, unausweichliche Situation zu bringen, sie aufeinander loszulassen. Kein uninteressantes Szenario, das recht unverblümt an Entsprechendes aus Surrealismus, Existenzialismus oder auch Hollywood-Gerichtsdrama erinnert. Nicht unbedingt nötig wäre es aber, auf derlei Referenzen im Dialog hinzuweisen: „Warten wir auf Godot – sie wissen doch, das Becket-Drama“. Ganz zu schweigen vom Holzhammer, mit dem die Moral von der Geschicht‘ durchgeprügelt wird: „Vielleicht versucht Ihnen diese verschlossene Tür etwas zu sagen? Sie zwingt uns, innezuhalten, ehrlich miteinander zu reden – mit fremden Menschen, die kennenzulernen wir uns nie die Mühe machen – bis wir keine Wahl mehr haben.“

So wie ihm die subtile Anspielung misslingt, bleibt das großstädtische Kammerspiel insgesamt bemüht: Für tatsächliche Spannung sind die Figuren zu blass, für eine Groteske zu angestrengt lebensnah. Zwar gelingen Aeby einigen Passagen mit überraschend kippenden Situationen und unerwartet sich verschiebende Frontlinien zwischen den Eingesperrten. Durch einen überflüssigen Trick des Plots – der hier nicht verraten sei – im Nachhinein nahezu alles zuvor Gesehene wieder als nicht real zu relativieren, sähe man gerne Dallas-Drehbuchautoren überlassen. Es bleibt eine durchaus beeindruckende Besetzung, die für manches entschädigt – und wohl überhaupt dazu geführt hat, dass der Film nochmal in die Kinos kommt: Wes Bentley, der durch American Beauty eine gewisse Bekanntheit erlangte, gab in Three Below Zero seine erste abendfüllende Hauptrolle.

Alexander Diehl

Do + Sa, 17 Uhr, Mo + Mi, 20 Uhr, Di, 18 Uhr, 22.8., 20 Uhr, 24. + 28.8., 22 Uhr, 26.8., 21 Uhr, 27.8., 18 Uhr, Metropolis

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