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Amazon hat reagiertPädophilen-Sex-Ratgeber offline

Bei Amazon fand sich "Leitfaden für Pädophile zu Lust und Vergnügen". Nach Protesten wurde er gelöscht. Der Autor sagt, er werde missverstanden.

Das E-Book ist nicht mehr da, dafür aber andere "pleasures". Bild: screenshot amazon.com

BERLIN taz | Der Onlinehändler Amazon, hat nach intensivem on- und offline-Protesten ein E-Book aus dem amerikanisches Sortiment genommen, das konkrete Tipps für den Sex von Erwachsenen mit Kindern gab. „The Paedophile´s guide to Love and Pleasure“, etwa „Der Pädophilen-Ratgeber für Liebe und Lust“, des vorher völlig unbekannten Autors Phillip R. Greaves II. Das Downloadangebot für das elektronische Lesegerät Kindle wurde seit dem 28. Oktober dieses Jahres für 4,79 $ angeboten.

Zusätzlich wurden von Amazon – wie auch bei anderen Büchern – Auszüge des Buches als Gratisdownloads angeboten. Der Technologieblog Techcrunch zitiert zwei dieser Ausschnitte und schickt den Warnhinweis „für Menschen nicht sicher“ voraus. Eine Textstelle rät beispielsweise, was zu tun sei, wenn Kondome zu groß seien.

Nachdem mehrere Blogs und Netzmedien über das Downloadangebot berichtet hatten, brach ein virtueller Sturm der Entrüstung los: Tausende Amazon-Kunden bewerteten das Buch mit einem Stern – der niedrigsten Bewertungsstufe und hinterließen negative Kommentare und drohten mit dem Boykott des Buchanbieters. Kinderschutzorganisationen wie child protection aus Großbritannien forderten den weltgrößten Buchverkäufer, den Umlauf des Werkes zu stoppen. Eine eigene Facebook-Seite, die den Verkaufsstopp des Buches forderte, fand innerhalb weniger Stunden tausende Unterstützer.

Amazon hingegen verteidigte den Verkauf des Buches zunächst mit der Begründung, „ein Buch nicht zu verkaufen, nur weil wir oder andere es anstößig finden“, halte man für „Zensur“. Und jeder Einzelne habe das Recht „eigene Kaufentscheidungen zu treffen.“Mit dem Verbreitung der Geschichte über das Internet trafen immer mehr E-Book-Leser eine Kaufentscheidung – für das Buch. So schnellte dies zwischenzeitlich auf Platz 65 der Verkaufsrangliste für E-Books, von immerhin insgesamt einer halben Million angebotener Bücher – zuvor hatte es auf Rang 158.221 gestanden.

Neben Amazon profitiert auch der Autor von der Aufmerksamkeit und den deutlich angestiegenen Downloads. Laut dem US-Blog „the smoking gun“ handelt es sich bei Philipp R. Greaves II um einen manisch -depressiven 47Jährigen aus dem US-Bundesstaat Colorado, der angibt, vor den Protesten genau eine Ausgabe des digitalen Buches verkauft zu haben. In seiner Buchbeschreibung hatte er angegeben, er wolle für „Regeln“ für Erwachsene aufstellen, um solche Situationen für die Minderjährigen sicherer zu machen.

Dem wachsenden Druck, dem sich auch klassische Medien anschlossen und den zahlreichen Boykottaufrufen, beugte sich der Konzern schließlich. Weniger als 24 Proteststunden dauerte es, bis das Buch aus dem Downloadangebot – und der Beststellerliste – entfernt wurde.

Bei der Suche nach dem E-Book bei Amazon erscheint seitdem die Fehlermeldung „Es tut uns leid. Die Webadresse, die sie eingegeben haben, führt zu keiner funktionierenden Seite unseres Angebots“

Eine grundsätzliche Verbannung von Büchern ähnlichem Inhalts aus dem Amazon-Sortiment bedeutet das nicht und selbst die Techcrunch-Blogger, die Stunden zuvor noch zum Boykott aufgerufen und später verkündet hatte, das Internet habe „gesiegt“, fragen sich inzwischen wer von der Protestaktion wohl am stärksten profitierte.

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7 Kommentare

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  • B
    Bert

    Naja, das Argument mit der Zensur ist aber schon ein starkes, ganz egal wie scheiße und auch wie menschenverachtend und verbrecherisch der Inhalt eines konkreten Werkes im Einzelnen ist.

     

    Das ist doch genau wie mit Naziliteratur: Soll man sie wegen des Gedankengutes wirklich einfach verbieten, oder ist es nicht auch wichtig, dass die Menschen sowas lesen, damit sie glauben, dass es das wirklich gibt, verstehen, wie es funktioniert usw.?

     

    Wie will man verstehen, wie Pädophile ticken, wenn man ihre sämtlichen eigenen Äußerungen konsequent unterbindet?

    Diese Herangehensweise hat etwas von Wegdefinieren-Wollen.

  • U
    Ulla

    Nicht vergessen die Reformschulen mal genauer unter die Lupe zu nehmen, pädagogischer Eros nach dem Vorbild der Griechen wird bestimmt nicht nur in der Odenwaldschule praktiziert.

  • B
    Berthold

    Wie viele sexuell zweifelhaft veranlagte Zölibazisten (Priester, Mönche, Nonnen) spazieren tagtäglich durch kirchliche Kindergärten und Schulen, streicheln den Kindern den Kopf, um danach womöglich auf die Kinder zu wichsen?

    Wer kümmert sich denn um diesen alltäglichen religiösen Missbrauch?

     

    An vielen Supermarktkassen ist sog. Quengelware aufgestellt, womit Kinder als Verkaufsanschieber gegen ihre Erzeihungsberechtigten ein Einsatz gebracht werden? Wer kümmert sich um diesen alltäglichen kapitalistischen Missbrauch?

  • K
    Konrad

    Sind schon fast chinesische Verhältnisse bei amazon...

  • L
    Lui

    wird denn in dem buch für pädophilie plädiert? (das kommt leider in dem taz-artikel nicht raus...)

     

    wenn dem nicht so ist, frage ich mich, warum das buch zensiert/verboten werden sollte. ich bin definitiv gegen pädophilie! es gibt jedoch menschen, die pädophil sind und es auch ausleben. das verurteile ich absolut!

    kinder die mishandelt wurden, leiden in den meisten fällen unter schlimmen physischen und vorallem psychischen schäden. sollte man sich dann nicht fragen, ob man mit so einem buch versuchen kann, den physischen "schaden" der entsteht, so gering wie möglich zu halten.

    ich möchte nochmal bemerken, dass ich absolut gegen pädophilie und vorallem die tatsächliche ausübung bin. ich bin aber auch der meinung, dass ignoranz und bloße verurteilung nicht weiter hilft, schwerwiegende probleme zu beheben/mildern.

  • MS
    Mike S

    Ich will ja nicht besserwisserisch sein und mein englisch ist auch nicht das besste aber die übersetztznung von "The Pedophile's Guide to Love and Pleasure" ist falsch. Müsste es nicht vielmehr mit "Leitfaden für Pädophile zu Liebe und Freude" heißen?

    Aber scheinbar will die TAZ das Sex im Titel vorkommt ...

  • B
    birgit

    "Amazon ist davon überzeugt, dass es einer Zensur gleichkäme, bestimmte Bücher nicht zu verkaufen, nur weil wir oder andere glaubten, das es anstößig sei"

     

    Und weil sich Amazon, FAZ, SZ-online und Spiegel-Online keine Glaubenskrisen leisten möchten, verticken sie ja auch seit Jahren lustig tiefst braune Literatur. Schließlich und endlich kann es ja egal sein, womit man seine UmsatzZahlen schönt, Hauptsache sie erfreuen die ChefEtagen.