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Am antikulinarischen Schutzwall    ■ Von Carola Rönneburg

Die Teilung kam quasi über Nacht. Wer im Winter 1999 wie gewohnt die Lebensmittelabteilung des Berliner Kaufhauses Karstadtamhermannplatz betreten wollte, fand sich unversehens zwischen zwei Welten wieder. Und das auf engstem Raum.

Schon seit einer Weile baut Karstadtamhermannplatz um beziehungsweise „erweitert“, wie es heißt. Natürlich ist von dieser Erweiterung nichts zu spüren, im Gegenteil: Weil ganze Abteilungen mit hinter Regipswänden verborgenen, vorwiegend bohrenden Handwerkern besetzt sind, findet der Verkauf – jawohl, er geht weiter! – auf einem Bruchteil der gewohnten Fläche statt. Lederjacken und gußeiserne Pfannen sind sich zur Zeit so nahe, daß man sich fragt, ob man nicht einmal einen leckeren Lederkragen servieren sollte. In Burgunder.

Also hinab in die Lebensmittelabteilung – aber was geht hier vor? Wo einst der kleineTabakstand untergebracht war, stehen nun riesige Wühltische mit Autolacksprays, Teddybären und heruntergesetzten Schuhe in Übergrößen. Gegenüber – ja doch, das ist die Lebensmittelabteilung. Eine von beiden Lebensmittelabteilungen.

Anläßlich der bevorstehenden Zehnjahresfeiern zum sog. Mauerfall (bzw. zur sog. Revolution, harrharr) bietet die Firma Karstadt ihren Kunden anscheinend ein ganz besonderes Einkaufserlebnis: Wie um das Anschlußjubiläum gebührend zu würdigen, wurde die Lebensmittelabteilung ihrer Neuköllner Filiale in zwei Hälften geschnitten. Während der „Karstadt-Trennkost-Wochen“ ist der gesamte Nahrungsmittelbestand auf zwei Sektoren verteilt, und jeder Sektor hat seine eigene Grenze, quatsch, Kassenreihe.

Interessant ist dabei, welche Waren in wiederum welchen Zonen angesiedelt sind. So existiert unweit des Autolackteddybärvorpostens eine gewaltige Aufschnittheke, die angesichts ihrer Länge nur temporär eingerichtet sein wird, deren Symbolgehalt aber selbst dem tumbsten Anrainer nicht verborgen bleiben kann: Das perfekt arrangierte Wurstensemble repräsentiert eindeutig die unerschöpflichen Fleischtröge des kapitalistischen Westens. Ebenfalls nur hier – und im Überfluß – erhältlich sind Fleisch, Fisch und Geflügel.

Ganz anders im Gegenmodell, das aufsuchen muß, wer noch ein alkoholisches Getränk zum Abendessen wünscht: Drüben, also im anderen Teil der Lebensmittelabteilung, offeriert Karstadt Konservendosen, Nudeln und Brot; außerdem erstaunliche Mengen Hochprozentiges sowie, wie zu erwarten, eine traurige Auswahl an schlappem und noch dazu unverschämt überteuertem Gemüse. Das Raffinierte an diesem OstWest-Arrangement liegt in der Betonung auf der Untrennbarkeit beider Hälften. Wer will schon sein Steak ohne Salat essen, seinen Toast ohne Butter und eine Scheibe Käse? Und wer steht schon gern in Dunkeldeutschland mit mürrischen Bürgerrechtlerkunden in der endlos langen Schlange an der Kasse – auch daran haben die Erlebnismarketingmanager gedacht –, während es in der West-Abteilung stets flott vorangeht?

Nein, diese Zeiten sind passé, und alle Karstadt-Kunden sehnen die Wiedervereinigung herbei. Allerdings, so steht zu befürchten, wird Karstadtamhermannplatz vorher noch den Zwangsumtausch einführen.

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