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■ Am Sonntag erhält Wolf Biermann den Deutschen NationalpreisAbrundung nationaler Sinnstiftung

Wenn in Deutschland irgendwo ein Preis verliehen wird, bekommt ihn in der Regel Wolf Biermann. Jurys funktionieren so. Sie arbeiten sparsam mit einem Mindesteinsatz an Phantasie, setzen gerne auf Bewährtes, und da fällt ihnen eben immer nur der unüberhörbare Mann mit der Gitarre ein. Seit er den Kommunismus zuverlässig als Dummheit bezeichnet, steht der Lobpreisung des 1976 aus der DDR ausgebürgerten Rebellen nichts mehr im Wege. In seiner allmählichen Verwandlung vom unversöhnlichen Dissidenten zum von sich selbst sichtlich ergriffenen saturierten Bürgerkönig, der die DDR ganz alleine zum Einsturz brachte, ist die deutsche Einheit geglückt und Biermann ihr symbolischer Übervater.

So konnte man sich getrost darauf verlassen, daß er bald auch den jungen, aber weihevollen Deutschen Nationalpreis erhalten würde – mit 100.000 Mark die höchstdotierte Auszeichnung im Land. Dazu durfte er – zur Abrundung nationaler Sinnstiftung – zwei flankierende Stipendiaten vorschlagen und guckte sich den Liedermacher Ekkehard Maaß und seinen guten Freund Jürgen Fuchs aus, der seinerseits nicht müde wird, davon zu erzählen, wie er neulich mal wieder „bei Biermann in der Küche saß“.

So ist das nationale Pantheon der Deutschen vorläufig ein eher familiärer Ort. Biermann findet zwar die Verleihung des Nationalpreises „als gelernter DDR-Bürger zum Totlachen“ – trotzdem wird er die Auszeichnung am Sonntag von Helmut Schmidt entgegennehmen. Schmidt ist es auch, der die Gründung der Deutschen Nationalstiftung mit Sitz in Weimar 1993 als „eine Lebensaufgabe“ bezeichnete und gleich eine Million fürs Grundkapital spendete. Außerdem gehören Antje Vollmer, Richard von Weizsäcker, Kurt Masur und Kurt Biedenkopf der Stiftung an, die auf „eine einigermaßen übereinstimmende deutsche Identität in den Köpfen“ (Schmidt) zielt.

Zum diesem Zwecke wählte man 1997 den Verein zum Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden als ersten Preisträger aus. Fehlt nun, nach Kirche und Biermann, eigentlich bloß noch der Verein der gegängelten Autofahrer zur unbehinderten Durchfahrt durchs Brandenburger Tor, um die Trias nationaler Heiligtümer zu komplettieren. Und Biermann reitet bis dahin, in Bronze gegossen, auf der Quadriga. Das wird dem labilen deutschen Nationalgefühl, das sich zwischen Stolz und Scham nicht so recht zu entscheiden weiß, schon auf die Beine helfen. Jörg Magenau

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