Am Rande: Al Capone am Wall
■ Brummbär schläft am liebsten draußen
In Jacket, dunklem Hut und schwarzen Jeans sitzt er auf seiner Parkbank in den Wallanlagen. „Ich heiße Al Capone und war mal Polizist“, sagt er mit rauher Stimme. Ins Papageienhaus geht er nicht, sondern schläft lieber allein unter einem Busch, auch im Winter. Morgens wecken ihn die früheren Kollegen von der Polizei. „Aber die gucken nur, ob ich noch lebe.“
Aus dem Kofferradio vor seinen Füßen klingt NDR, Radio Niedersachsen. Manchmal setzen sich Bekannte zu ihm. Weißgelockte Damen kommen vorbei, das Zweimarkstück werfen sie nicht in die Plastikschale neben dem Radio, sondern drücken es Al Capone persönlich in die Hand. Die nächste Spenderin wirkt in ihrem lindgrünen Trench besonders elegant. „Die ist ein bißchen geizig“, sagt Al Capone mit Nachsicht, die bringt immer nur 30 Pfennig.“
„Eigentlich wollte ich Arzt werden“, erzählt Al Capone, „aber nach drei Semenstern ist mir das Geld ausgegangen.“ Danach habe er hier und dort gearbeitet. Seine verheiratete Tochter will ihn nicht mehr kennen. Dann erzählt er von seinen guten Eltern. „Mein Vater ist mit 55 Jahren gestorben. Das ist doch kein Alter!“ Tränen springen Al Capone aus dem Augen und laufen schnell über seine roten Wangen.
Von Michael Weisfeld, taz-Redakteur von 1986 bis 1987. Er arbeitet heute für den Deutschlandfunk, RadioBremen und den WDR in den Ressorts Wissenschaft und Vermischtes
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