■ Am Rande: FreeLens vs. „Spiegel“
Im Verfahren der Fotografenvereinigung FreeLens gegen den Spiegel wegen unbefugter Verwendung ihrer Fotos auf CD-ROM offenbarte der Justitiar des Nachrichtenmagazins, Dietrich Krause, desolate Zustände in der Spiegel- Buchhaltung. Dort hatte Krause, wie er am Dienstag vor dem Hamburger Landgericht erklärte, Zahlungsvorgänge zu den klagenden Fotografen „checken lassen“, die erst wenige Jahre zurückliegen, war aber nur teilweise fündig geworden. Dabei ging es um Fotos, die der Spiegel zwischen 1989 bis 1993 abgedruckt und später nochmals – allerdings ohne zu fragen und ohne zu bezahlen – für die Computer-Discs verwendet hatte (taz v. 21.11. 96: „Wie im wilden Westen“). Er plaudere jetzt mal aus dem Nähkästchen, so der Spiegel-Justitiar vor Gericht, die Suche im Keller sei mühselig gewesen, habe aber ergeben, „daß einige zwischen 1989 und 1993 gar nix bekommen haben, wohl gar nix im Blatt hatten, jedenfalls war das nicht festzustellen“. Dementgegen bestätigt FreeLens-Anwalt Dirk Feldman Honorareingänge in der fraglichen Zeit bei allen 79 KlägerInnen, verweist auf „Anstrich“- Hefte (wo auf Fotos und Texten vermerkt wird, wer wieviel dafür zu bekommen hat), Belegstücke sowie die strittigen CD-ROMs selber. Doch: Desolate Zustände auch bei Gericht. Es ist nicht imstande, das Corpus delicti, d.h. die Spiegel-CD-ROMs, selbst unter die Lupe zu nehmen – etwa um einerseits festzustellen, ob nun Fotos der von Krause erwähnten Fotografen drauf sind oder nicht, und ob es sich andererseits in toto um ein sogenanntes Faksimile handelt (wie der Spiegel behauptet und als honorarfrei ansieht) oder um ein neues, andersartiges, weitergehend nutzbares Produkt, das honorarpflichtig ist (wie es die FreeLens-Fotografen sehen und einklagen). Auf Nachfrage erklärt dazu der Vorsitzende Richter Dr. Wolfgang Neuschild, daß es an geeigneter Ausrüstung dafür mangelt. Computer, geschweige denn solche mit CD-ROM-Laufwerk, gebe es in seiner Kammer – und die ist immerhin die einzige der ersten Instanz für derartige Sachen in der Medienmetropole Hamburg – genausowenig wie in der ganzen Hamburger Justiz.Ulla Küspert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen