Altwerden im Gefängnis: Kein Geld für Knastrentner
Die Zahl alter Menschen hinter Gittern steigt, doch Gefängnisse sind nicht für ihre Bedürfnisse ausgelegt. Selbst einem Pilotprojekt fehlt Geld für Altenpfleger.
DÜSSELDORF/DETMOLD dpa | Im Alter wünschen sich viele Menschen vor allem eines: Ruhe. Der Tagesrhythmus wird langsamer, der Körper schwächer, die Nerven dünner. Aber was passiert, wenn man seinen Lebensabend an einem Ort verbringen muss, der alles andere als ruhig ist? Wenn ein alter Mensch im Gefängnis sitzt?
Die Justizvollzugsanstalt (JVA) Detmold hat schon vor fünf Jahren auf diese Fragen reagiert und in einem Pilotprojekt einen speziellen Bereich für ältere Häftlinge eingerichtet. 22 Männer ab 62 Jahren leben hier einen langsameren geschlossenen Vollzug – und die Warteliste für die Alten-Abteilung ist lang.
Denn in den Gefängnissen in NRW sitzen immer mehr alte Menschen. Nach Angaben des Justizministeriums gab es im März 2005 nicht einmal 400 Gefangene, die älter waren als 60 Jahre. Im März dieses Jahres waren es mehr als 500. „Der demografische Wandel macht vor dem Vollzug nicht Halt“, sagt die Leiterin der JVA Detmold, Kerstin Höltkemeyer-Schwick. Die Gesellschaft werde zwar immer älter, die Gefängnisse seien aber nicht auf alte Menschen ausgerichtet.
Selbst in der speziellen Abteilung in Detmold gebe es zum Beispiel keine Altenpfleger oder geriatrisches Personal. Dafür habe man keine zusätzlichen Mittel bekommen, sagt Höltkemeyer-Schwick. Wie bei jungen Häftlingen auch, kommen aber viele Ehrenamtliche in die JVA und beschäftigen sich mit den alten Gefangenen.
Wenig Kontakt mit der Außenwelt
So zum Beispiel der Diakon Lothar Dzialdowski. Dass es die Alten-Abteilung gibt, findet der katholische Seelsorger gut. Die Erfahrungen und Bedürfnisse seien ganz andere. „Die Männer haben oft Familienmitglieder, zu denen sie gar keinen Kontakt mehr haben“, sagt Dzialdowski. „Das passiert im Alter eher als bei jungen Menschen, die oft noch intensive Kontakte haben.“ Alte Häftlinge seien außerdem froh, sich nicht mehr ständig behaupten zu müssen wie die Jungen. „Alte Menschen reagieren anders als junge.“
Außerdem unterscheiden sich die Ziele im Vollzug. Junge Straftäter sollen während ihrer Zeit im Gefängnis an Arbeitsmaßnahmen teilnehmen, damit sie nach der Haft einen Job finden. Die Alten hingegen haben das Rentenalter oft schon erreicht. Die Gefängnisse müssten diese Häftlinge eher mit Altenheimen und Pflegeeinrichtungen vernetzen, sagt Höltkemeyer-Schwick – oder sie darauf vorbereiten, hinter Gittern zu sterben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Aufregung um Star des FC Liverpool
Ene, mene, Ökumene