Altstadt: Der Retter von Lüneburg

Gäbe es Curt Pomp nicht, wären die alten Kaufmannshäuser womöglich längst abgerissen, wegen denen die Touristen heute nach Lüneburg kommen. Und auch das Hansestädtchen Werben verdankt dem Künstler viel. Besuch bei einem Kämpfer für das Alte.

Retter Curt Pomp. Bild: privat

Als Curt Pomp nach Lüneburg kam, erschien ihm die Stadt wie ein Paradies. Es war in der Nachkriegszeit, und die anderen Städte, die er zuvor besucht hatte, waren "grauenhaft zerdeppert", wie er sagt. In Hamburg konnte man vom Bahnhof bis nach Barmbek gucken, so viel war zerstört. In Lüneburg war noch alles heil.

Curt Pomp ist gelernter Bildhauer, später hat er in Hamburg Grafikdesign studiert. Er begann, Lüneburg zu zeichnen. Als er nach einigen Jahren wiederkam und die Stadt mit seinen Zeichnungen verglich, merkte er, dass Häuser fehlten. Die Stadtverwaltung habe gesagt, es komme sowieso alles weg, die Häuser seien 200 Jahre alt und nichts mehr wert.

160 von insgesamt 2.500 aus der Renaissance stammenden Häusern hat man im Lüneburg der 1950er Jahre wild abgerissen. Es waren 500 Jahre alte Handwerkerhäuser. "Keiner wusste von den Häusern Bescheid, auch die Denkmalschützer nicht", sagt Pomp.

1970 zog er selbst in ein solches Haus und begann zu kämpfen, erst allein, von 1974 an mit dem von ihm gegründeten Arbeitskreis Lüneburger Altstadt e. V. Sie sammelten Material und begannen, die Häuser auf eigene Faust zu sanieren. "Learning by doing", sagt Pomp. Er zeichnete selbst die Baupläne, tat sich mit einem Statiker zusammen und ließ sich die Pläne genehmigen. Auf diese Weise rettete sein Verein 60 historische Häuser in den Abrissvierteln. 120 haben sie selbst restauriert.

Lüneburg sei ein Gesamtdenkmal und nicht nicht nur einzelne Häuser seien denkmalschutzwürdig, wie es der Denkmalschutz behauptete, sagt Pomp. Er sammelte Unterschriften, wurde als Nazi beschimpft und als Kommunist. Doch er ließ sich nicht aufhalten. 1979 erhielt sein Arbeitskreis Lüneburger Altstadt e. V. den "Deutschen Preis für Denkmalschutz", er selbst bekam 1988 für seine Bemühungen das Bundesverdienstkreuz.

Eigentlich wollte er nur fünf Jahre in Lüneburg bleiben, daraus sind jetzt 39 geworden. Noch immer wohnt Curt Pomp in einem der von ihm geretteten alten Kaufmannshäuser. Die Häuser aus der Renaissance seien tief gebaut, sagt Pomp. Die Architekten heute beherrschten die Tricks gar nicht mehr, ein solches Haus zu bauen. Keiner mache sich Gedanken, warum man sich so wohl fühle in den alten Handwerkerhäusern. "Die Häuser sind gebaute Erinnerungen. In ihnen steckt jahrtausendlange Erfahrung, von der man viel lernen kann."

Pomp sitzt im Wohnzimmer, vor sich ein paar Fotoalben aufgeschlagen. Auf einem Bild sieht man ihn als Postsekretär auf der Postkutschentour, die er in der kleinen Hansestadt Werben organisierte. Werben liegt an der Elbe in Sachsen-Anhalt und hatte ein ähnliches Problem wie Lüneburg: Der historische Stadtkern drohte zu verfallen, die Stadt mit ihren 800 Einwohnern auszusterben.

Pomp fasst sich an seinen grau melierten Bart. Vor ungefähr zwölf Jahren, als er krebskrank wurde, hat er wie verrückt versucht, eine Postkutschenlinie aufzubauen. "Ich wollte das Reisen verlangsamen und habe dadurch scheinbar die Heilung meines Krebses verschnellert", sagt Pomp.

Damals entstand die Idee, durch Tourismus Städte wiederzubeleben und dadurch Geld für Sanierungen einzunehmen. In Werben war es die Postkutschentour, bei der er die Besucher der Stadt in die Biedermeierzeit zurück versetzte. In Lüneburg ist es der jährliche Christmarkt, wo Pomps Mitstreiter vom Arbeitskreis Lüneburger Altstadt e. V. in Renaissance-Kostümen auftreten. "Merkwürdig, dass die Sehnsucht nach Altem kommt, wenn es schon fast zu spät ist", sagt Pomp.

Nicht nur in Lüneburg und Werben hat er alte Gebäude restauriert. Auch in Lauenburg, Hagenow, Salzwedel oder Neuhaus lassen Fassaden erahnen, wer seine Finger im Spiel hatte. In Werben hat er für seine Ideen den Marketing-Award bekommen, weil er etwas für den demografischen Wandel getan hat. "Es müssen immer andere kommen, mit einem anderen Blick, und den Leuten die Augen öffnen. Meistens sind das Künstler", sagt Pomp.

Sein Alter, er ist 77, sieht man ihm nicht an. Vielleicht liegt es daran, dass er sich gar nicht alt fühlt. Seine Lebensgefährtinnen müssten auch immer mindestens 25 Jahre jünger sein: "Frauen in meinem Alter bereiten sich schon auf das Altersheim vor - das ist ja schrecklich", sagt Pomp.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.