Altona 93 bleibt: Gnadenfrist für Altonas Kampfbahn
Oberligist Altona 93 will den Aufstieg in die Regionalliga versuchen – ein Wagnis, verbunden mit hohen Kosten und Auflagen. Jetzt geht das doch im alten Stadion.
Eine stolze Summe, gerade wenn man wie die Altonaer ehrgeizig und ambitioniert nun den Gang in die Regionalliga anstrebt. Sportlich zwar „nur“ Sechster, ist der Altonaer Fußball-Club (AFC) das einzige Oberligateam, das meldete und steht nun vor drei schweren Aufstiegsspielen gegen Vereine anderer Nord-Oberligen. Heute um 19:30 Uhr ist der Auftakt an der heimischen Griegstraße in Bahrenfeld gegen den Meister der Schleswig-Holstein-Liga SV Eichede.
Ein Wagnis, denn seit der Verein bereits in der Saison 2008/09 eine Liga höher spielte, galt die Regionalliga als vermintes Terrain. Zu hohe Auflagen, vor allem das Ausweichen ins verhasste Victoria-Stadion an der Hoheluft schadete Altona nachhaltig. Das Team stieg sofort wieder ab und hatte Schulden in sechsstelliger Höhe. Nun soll alles anders werden. Die Auflagen vom Norddeutschen Fußball-Verband wurden mittlerweile gesenkt und der AFC kann seine Heimspiele in der geliebten Adolf-Jäger-Kampfbahn austragen.
„Ich war selber überrascht, wie wenig Aufwand nötig ist“, sagt AFC-Manager Andreas Klobedanz. Die Umbaukosten würden sich auf 30.000 bis 50.000 Euro belaufen, der hintere Teil der Tribüne und die angrenzenden Stehränge müssen für Gästefans reserviert und durch Zäune abgetrennt werden. Weitere Trennungen von Fanblöcken sind nicht vorgesehen, ein Käfiggefühl soll somit vermieden werden. Der AFC plant für die Regionalliga umsichtig, will den Etat von rund 300.000 Euro nicht maßgeblich erhöhen, rechnet mit durchschnittlich 850 Zuschauern. Jetzt sind es 750. „Es muss im Herzen der Stadt möglich sein, einen Klub in der Regionalliga zu etablieren“, meint Klobedanz.
Die Mehrheit der AFC-Fans steht politisch links. Vom Bauwagen-Anarcho über Politfreaks, Plattenverkäufer bis hin zum intellektuellen Prekariat.
Der Herausgeber des Fanzines All to nah, Jan, organisiert eine Freundschaft mit den Anhängern des englischen Amateur-Clubs Dulwich Hamlet.
Voriges Jahr fuhr die AFC-Herrenmannschaft mit zu einem Kick im Süden Londons.
Seit 2014 läuft das dortige Team auswärts mit den AFC-Trikots auf, nur mit eigenem Wappen. Die Altonaer tragen seit dieser Saison in fremden Stadien das pink-blaue Dulwich-Leibchen.
2018, zum 125. Geburtstag beider Vereine, kommt das Herrenteam von Dulwich nach Altona.
Auch bei den Engländen steht der Community-Gedanke im Vordergrund. Zuletzt organisierten die Fans von Dulwich Hamlet ein Spiel gegen syrische Flüchtlinge.
Doch die Tage an der 108 Jahre alten Adolf-Jäger-Kampfbahn sind gezählt. Das 8.000 Leute fassende Oval ist so marode, dass selbst bei den meisten treuen Anhängern der Verstand obsiegt. Ein neues Stadion muss her, und die Pläne für den Bau an der Memellandallee liegen hierfür längst in der Schublade. Denn der Club verkaufte sein Stadion bereits 2007 an den Altonaer Spar- und Bauverein und Behrendt Wohnungsbau, die hier bis zu 200 Wohnungen bauen wollen. Der Kaufpreis wurde auf 11,25 Millionen Euro taxiert, zu zahlen, wenn der Verein ein Ersatzrundstück gefunden hat. Diesen Plänen müssen 75 Prozent der gut 717 stimmberechtigten Mitglieder von Altona 93 zustimmen.
Doch die Verhandlungen mit dem Bezirk erweisen sich als kompliziert. Vor allem, weil sich der Verein weigert, Verlagerungskosten für das neue Grundstück in Höhe von zwei Millionen Euro sowie eine nicht unerhebliche Erbpacht zu berappen. Im November hat der Verein bereits eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse noch nicht öffentlich vorliegen. Es geht auch um die Einbindung in ein bald hochwertiges Wohnquartier, denn in der Nähe entsteht die neue Mitte Altona. Zudem ist unklar, ob das neue Stadion 3.000 oder 5.000 Zuschauer fassen wird.
Dass der Fußball-Verband nun ohne großes Trara die Regionalliga-Meldung auch für das alte Stadion akzeptierte und Altona 93 auf Zeit spielen kann, scheint die Verhandlungsposition mit der Stadt verbessert zu haben. Der Zweite Vorsitzende Michael Sachs, immerhin Hamburger Staatsrat für Stadtentwicklung, moniert dennoch. „Es kann nicht sein, dass die Stadt den beiden Profivereinen beim Stadionneubau komplett unter die Arme gegriffen hat und wir alleine gelassen werden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste