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Altersvorsorge in DeutschlandEin Apfel am Nachmittag

Eine Studie empfiehlt Menschen in mittleren Jahren Konsumverzicht und Investition in soziale Netzwerke. Das soll für das Alter vorsorgen.

Gesunde Ernährung gehört auch zur Altersvorsorge Foto: dpa

Berlin taz | Man begegnet nicht aller Tage einer „Prokrastinationsexpertin“. Margarita Engberding, Verhaltenspsychologin an der Universität Münster, ist Fachfrau für „Aufschieberitis“. Sie stand Rede und Antwort, als das Sinus-Institut am Montag in Berlin eine Studie zur Altersvorsorge präsentierte. Genauer gesagt: zu den vielen jüngeren Menschen, die nicht ausreichend Altersvorsorge betreiben und das immer wieder aufschieben.

Dabei blicken viele Bundesbürger nüchtern in die Zukunft: Mehr als ein Drittel der Befragten der Studie im Alter zwischen 40 und 55 Jahren gehen davon aus, dass sich ihre Finanzlage verschlechtert haben dürfte, wenn sie einmal 75 Jahre alt sind. Die Sorge vor dem finanziellen Abstieg haben dabei auch Leute in höheren Einkommensklassen, ergab die Studie.

Die Menschen wüssten, dass sie sich auf das Alter vorbereiten müssten, aber sie täten zu wenig, sagt Engberding. „Das ist das Phänomen der Prokrastination – das extreme Aufschieben von Aufgaben, von denen wir eigentlich wissen, dass sie sehr wichtig sind.“

Umfassende Altersvorsorge betrifft nicht nur das Geld, sondern auch den Erhalt der Gesundheit und das Pflegen sozialer Kontakte in der Familie und im Freundeskreis. Denn aus diesen drei Faktoren setze sich das Glück im Alter zusammen, ergab die Studie im Auftrag des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, für die 1.000 Menschen gefragt wurden. 26 Prozent erwarteten „große Probleme im Alter“ und blickten in mindestens zwei der drei Lebensbereiche Gesundheit, Finanzen und soziale Kontakte düster in die Zukunft. Mehr als jeder Dritte rechnete mit gesundheitlichen Problemen, jeder Zehnte mit Einsamkeit im Alter.

Um sich auf das Alter besser vorzubereiten, müsse man „Anstrengung und Mühe in Kauf nehmen“, sagte Engberding. Dazu gehöre der „Verzicht auf unmittelbare Bedürfnisbefriedigung“. Dabei bestehe oft eine Kluft zwischen „Einsicht und Verhalten“.

Die Empfehlung: Kleine Schritte statt großer Vorhaben für eine bessere Vorsorge

Engberding riet daher zu „kleinen Einzelschritten“. Bei der finanziellen Vorsorge solle man „klein anfangen“, etwa mit regelmäßigen Rücklagen für die Altersvorsorge. Dazu seien auch in der Öffentlichkeit mehr Informationen darüber notwendig, dass sich Vorsorgeverträge besonders lohnten, wenn man früh damit anfange.

Ein Schritt für die gesundheitliche Vorsorge seien „kleine Umstellungen“ der Ernährung, zum Beispiel „ein Apfel am Nachmittag“. Sinnvoll sei auch das „Weight-Watchers-Prinzip“, mit dem man sich Gleichgesinnte suchte, um gemeinsam Sport zu treiben oder sich besser zu ernähren.

Um soziale Netzwerke aufzubauen und für später zu erhalten, empfahl Engberding ebenfalls kleine Vorsätze, zum Beispiel ein Telefonat am Wochenende mit Freunden oder Familie und „Verpflichtungen“, zum Beispiel einen Stammtisch oder eine Spielrunde.

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18 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Ein Schritt für die gesundheitliche Vorsorge seien „kleine Umstellungen“ der Ernährung, zum Beispiel „ein Apfel am Nachmittag“.

     

    Kann man auch bestimmte Krankheiten wie Krebs oder Karies vermeiden?

     

    Um dem Karies zu entgehen, wäre wahrscheinlich das Zähneputzen und Mund ausspülen erforderlich. So wird bestimmt die Milchsäure nicht sich auf den Zähnen nicht so leicht bilden. Wie sieht es mit dem Krebs aus? Folgende Studie über Krebs sollte kritisch betrachtet werden. Es fehlen z.B. psychologische Aspekte, die mit dem Zufall bei der Krebserkrankung oft unvereinbar sind.

    https://www.gmx.net/magazine/gesundheit/stark-haengt-krebs-zufall-32236868

     

    Und darauf setzt das Denken in Alternativen an und beeinflusst so das Handeln, den Lebensstil und die finanziellen Ausgaben.

     

    Jetzt glücklich sein und das Leben genießen, oder anteilig für’s später aufschieben?

     

    Und kommt noch dazu eine Frage der Kultur. Familie über alles! Also das ganze Geld für die Familie und deren Glück ausgeben.

     

    Fazit:

     

    In einem Sozialstaat muss die Rente für jeden Menschen ein menschenwürdiges Dasein garantieren oder die Lohne müssen deutlich erhöht werden, damit das Sparen erst überhaupt möglich ist.

  • Eine sehr gute Studie mit sehr guten Empfehlungen. Nur bei den finanziellen Rücklagen wird es für sehr viele Menschen problematisch sein. Das ist von der Höhe des Einkommens stark abhängig. 40 bis 60 % von Berlinern zum Beispiel hätten echte Probleme damit, bedeutende Einsparungen zu tätigen.

     

    Was könnte helfen?

     

    Die Rentenformel, nach der die Höhe der Rente einzelfallbezogen berechnet wird, sollte noch sozialer gestaltet werden!

  • Ist doch alles ganz richtig, nur fehlen noch ein paar Tipps. Außer Äpfelchen essen und mit FreundInnen telefonieren nicht vergessen: Lerserbriefe schreiben, in der Gewerkschaft mitarbeiten, politische Kleinarbeit anpacken, jede Woche ein Stündchen...

    • @Jansen:

      Um am Leben so richtig teilzunehmen, braucht man aber ein Telefon, Internetanschluss, sowie Mobilität: entweder eine günstige Wohnung "auf dem Land" und ein Auto oder eine Monatsfahrkarte nebst Wohnung im teuren Stadtgebiet.

      Und da hapert es schon. Wer sich nicht mal regelmäßig warmes Essen leisten kann, der kann sich auch kein Smartfon, keinen Mobilfunkvertrag, keinen DSL-Anschluss und erst recht kein Auto leisten.

  • Was diese merkwürdige Dame von der Uni Münster zum Besten gibt, ist eigentlich die Nacherzählung des TV-Werbespots der Allianz zur Altersvorsorge mit dem Ein-Mann-Kapelle-Entertainer Udo Scharnitzki. Am Ende des Filmchens beißt der Mann mit Strohhut zwar nicht in einen Apfel, sondern kaut einen Grashalm vor der Kulisse einer asiatischen Küstenlandschaft. Womit wahrscheinlich die Metapher "ins Gras beißen" mit der "Toteninsel" von Arnold Böcklin verknüpft wird.

     

    Das hat nichts mit Wissenschaftlichkeit aber sehr viel mit PR für die Versicherungswirtschaft zu tun. Frau Engberdings Tipps kann man in den einschlägigen Frauenzeitschriften nachlesen.

     

    Was sie von sich gibt, das ist zusammenhangloses Gewäsch und zeigt einmal mehr, dass der Neoliberalismus nur etwas für geistig Zurückgebliebene ist, bei denen sich die niederen Beweggründe wie Habgier, Egomanie und Skrupellosigkeit erhalten haben.

     

    Es wird Zeit sich dieses Systems vollständig zu entledigen.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    Der Artikel ist doch ein Witz, oder? "Altersvorsorge in Deutschland. Ein Apfel am Nachmittag." Prokrastination, das neue Modewort und dafür gibt's sogar 'Experten'. Da kann man echt nur noch den Kopf schütteln, aber, ein guter Artikel für Die Wahrheit.

  • die beste altersvorsorge für den vati ist und bleibt ein schrebergarten ...

  • Aha. Wir sollen also gefälligst selber zusehen, wie (und vor allem wovon) wir im Alter klarkommen. Dann kann man uns im Umkehrschluss auch mit einem herzlichen "Selber Schuld" abspeisen, wenn wir mal arm, krank und verlassen sind.

     

    In der Welt, in der diese Frau Engberding und ihre Gesinnungsgenossen leben, gibt es nur gut verdienende, kerngesunde junge Menschen, die mit Leichtigkeit ein Aktienportfolio und einen Immobilienfondanteil fürs Alter anlegen könnten, aber zu faul dafür sind. Die sich aus Trotz und Bosheit weigern, der guten Finanzindustrie einen Riestervertrag abzukaufen. Ja die vielleicht sogar erwarten, im Alter irgendwie umsorgt zu werden, obwohl doch jeder weiß, dass das gar nicht geht. Sondern dass jeder sich ständig selber optimieren und vermarkten muss.

     

    Irgendwie kann man das Fürchten kriegen, wenn man sowas liest. Schon weil solche weltfremden Ansichten offenbar gerade von "Fachmenschen" vorgetragen werden.

  • 3G
    36855 (Profil gelöscht)

    Junge Menschen stecken oft in schlecht bezahlten Jobs fest, Teilzeitjobs, unbezahlten Praktika.

    Da läßt sich vorzüglich fürs Alter sparen . Die ältere Generation hat Kinder großgezogen, ihnen eine Ausbildung und Studium ermöglicht und soll nun, auf die unmittelbare Befriedigung eigener Bedürfnisse verzichten?

    Ein Apfel am nachmittag solls richten, gesundheitlich und stimmungsmäßig?

    Frau Engberdings Aussagen sind menschenverachtend, bar jeder Realität und völlig absurd.

    Läßt sich gut leben im Wolkenkuckucksheim.

    • @36855 (Profil gelöscht):

      Frau Engberding wird selbst gut versorgt sein.

       

      Und ein Apfel täglich wird es wohl für die anderen, denen es nicht so geht, bei der Tafel geben. Da hat man dann auch gleich seine Sozialkontakte. Mehr braucht es ja nicht :-)

  • Ich finde es auch schwierig zu definieren, was denn nun "im Alter" ist. Kurz nach der Rente mit 70? Da ist man vielleicht noch topfit, die Freunde leben alle. Oder dann mit 85, die Demenz naht, Partner tot, man kommt die Treppe nicht mehr hoch. Dann bin ich irgendwann 90, vielleicht komm ich gar nicht mehr hoch, brauche immer Hilfe. Schwer, da irgendwas zu planen. Klar, ausreichend Geld hilft immer. Aber wer weiß, wieviele Reformen und Geldentwertungen in den nächsten 50 Jahren kommen. Ich stimme daher meinem Vorredner zu: immer wieder Kontakte suchen und üben, mit den Mitmenschen in Beziehung zu bleiben.

  • Gerade die digitalen Netzwerke sind aber immer wichtiger, denn Bezugspersonen werden weniger, Freunde sterben, die Mitbewohne sind doof oder schon fast tot, die Pfleger hetzen durch due Gänge...wer hat denn noch Zeit für die Alten?

    ICH will nicht im Altersheim hocken und von der Welt abgeschnitten sein - da geht's ja um viel mehr als zu chatten was man grad auf dem Teller hat. Und passiv das verdämlichende Fernsehprogramm zu glotzen kann einem auch nur den Rest geben.

  • Liebe Frau Dribbusch, was könnte und sollte man nicht eigentlich alles an fundierten Meinungen zum derzeitigen Weltgeschehen haben und vermutlich gibt es in der Tat wesentliche und bedeutsamere Probleme, vor allem wenn Menschen um ihr nacktes Überleben kämpfen. Aber tatsächlich habe ich mich hier gerade derart geärgert, dass ich inständig darum bitten möchte, Frau Engberdings Erkenntnisse/Ansichten nicht unkommentiert hier stehen zu lassen. Es ist doch hinlänglich bekannt/untersucht/erforscht, dass die ganze hochgelobte "Sparerei für's Alter" nichts und gar nichts bringt, wenn damit dann Minimalstrenten aufgestockt werden müssen, die z. B. aus unterbrochenen Erwerbsbiographien herrühren. Von den vielen Menschen, die trotz Vollzeittätigkeit gar kein erquickliches Auskommen haben, um davon mal locker was beiseite zu legen, will ich gar nicht erst anfangen. Und ich weiß, dass gerade Sie mit klaren, vernünftigen Worten sonst diese Missstände konstruktiv benannt haben. Umso größer mein Erstaunen, dass hier ein solcher Artikel ohne jegliche Einordnung Raum findet. Bitte demnächst wieder anders!

    • Barbara Dribbusch , Autorin des Artikels, Redakteurin für Soziales
      @Felicitas Schulze:

      Bitte beachten Sie meinen Kommentar! "Schwarzbrotessen für das Alter".FG Barbara Dribbusch

      • @Barbara Dribbusch:

        Liebe Frau Dribbusch, vielen Dank für Ihren Hinweis. Da fühle ich mich doch gleich in gewohnter Art und Weise wieder gut bei Ihnen aufgehoben. :-) Herzliche Grüße, Felicitas Schulze

  • Meint die Autorin etwa echte Netzwerke? Nicht nur eine WhatsApp-Gruppe oder Nachbarn.de ? Ich dachte, in der schönen, neuen Welt kann man sich jederzeit Freunde herbeiwünschen.

  • Es ist doch immer wieder interessant, wie Weltfremd diverse Umfragen ausgelegt werden.

    Wer glaubt denn dass tatsächlich irgendwelche Meinungen bei der geringen Anzahl von Befragten aussagekräftig sind!?

    Vor allen Dingen kommt es auch auf den Status der Befragten zu den Themen an, wenn ich Leute befrage, die eine Gute bis sehr Gute Anbindung zu dem Thema haben, bekomme ich auch dass heraus, was ich erfahren will, nicht dass was dem Thema entsprechend heraus gekommen wäre, hätte man wirklich eine repräsentative Auswahl von Menschen befragt, auch die Anzahl müsste repräsentativ sein.

     

    Aus eigener Erfahrung können ihnen sicher tausende Menschen in Alter von 40 – 55 Jahren genau schildern, wie oft sie mit dem Versuch sich eine Private Altersvorsorge aufzubauen gescheitert sind. Mal war es die Pleite der Firma, so dass man die Prämien nicht mehr zahlen konnte, oder es war die ARGE, die einen dazu zwang, die Altersvorsorge aufzubrauchen, wenn man Hartz IV beantragen musste.

    Wenn man sich entschieden hatte Kinder zu bekommen, war es meist schon in den 20igern nicht mehr möglich eine moderate Altersvorsorge aufzubauen, da man das Geld für die Kinder benötigte.

     

    Es ist immer wieder zum Haare raufen, wenn Leute mit einem gut bezahlten Job jemanden Tipps zur Sparsamkeit geben, die sie selbst niemals umzusetzen bereit wären, da sie es auch nicht müssen.

    Jeder soll so viel verdienen, wie seine Arbeit wert ist, aber das ist in der EU schon seit längerem nicht mehr der Fall.

     

    Verdient wird nur noch von den Bossen der Industrie, des Handels, der Versicherungen – und Bankenwirtschaft und der Politiker, einige wenige Akademiker, die uns immer wieder zum Sparen anhalten gehören ebenfalls zu der Klientel, die sich um ihr Auskommen keine Sorgen mehr machen müssen, da sie durch ihre Sparanleitungen genug Geld von der jeweiligen Lobby erhalten, zu deren Gunsten die Sparaufrufe ausfallen!!!

    • @urbuerger:

      Ja, hier! Ich kann alle meine frühen und gut verzinsten Bemühungen zur finanziellen Vorsorge nachweisen. Übrig geblieben ist leider nur ein Riester-Vertrag auf Minimum, der mir max. nicht auf die Grundsicherung angerechnet werden wird, wenn ich denn mal das Rentenalter erreicht haben werde.

       

      Ernährungstechnisch etc. bin ich auch schon lange (hoffentlich) präventiv dabei, aber das interessiert eigentlich niemanden, man bekommt auch nichts dafür, max. ein Kopfschütteln zu diesem "Luxus".

       

      Und was erwartet mich? Entweder bin ich recht fit im Alter, aber sehr arm und meine Peergroup eher wohlversorgt, aber gesundheitlich geplagt oder wir sind alle gesund und ich kann an deren Aktivitäten aus finanziellen Gründen nicht teil nehmen. Oder alle im hohen Pflegestatus und "standesgemäß" in unterschiedlichen Einrichtungen untergebracht. Mal sehen, wie sich da die Kontakte halten lassen...