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Alte Bekannte und neue HeldInnen

■ Zum Jubiläum an den Waden der Hochkultur: Die Operation Pudel 2001 gastiert im Schauspielhaus

Nach Stationen in Leipzig, Berlin und Göttingen macht die Golden Pudel Klub-plus-Anhang-Konzert- und Partysause jetzt in Hamburg Halt. Was einen unterhaltsamen Abend mit (im weitesten Sinne) Tanzmusik und postpoplinkem Kindskopf-Entertainment verheißen mag, schließlich sind die üblichen Verdächtigen dabei, verstärkt um den einen oder anderen Gast.

Neben Rocko Schamoni und Schorsch Kamerun, den langjährigen Betreibern und Aushängeschildern des Etablissements, ist das zunächst einmal Dr. Norbert Karl, seit „finanziellen Problemen“ (Schamoni) dritter Teilhaber am Pudel Klub; seine Entertainerqualitäten sind dem breiten Publikum bislang vorenthalten geblieben, so dass der Abend möglicherweise Überraschendes bereithält. Dann wird der Exilmünsteraner Carsten Meyer (alias Erobique) in gewohnter Manier die Orgeltastaturen liebkosen und schwelgenden Wohlklang verbreiten, den man mit Vokabeln wie „Easy Listening“ beleidigen dürfte.

Ähnliche Baustelle, andere Technik: Jacques Palminger, der Hamburger Chansonnier, für den gefälligst eigene Genrebezeichnungen angeschafft gehörten. Aus Köln wird Justus Köhncke mitgebracht, der mit Whirlpool nicht nur einer der meistbeachteten inländischen House-Formationen angehört, sondern auch für reizenden Umgang mit der eigenen Lieblingsmusik in Form erstaunlicher Cover-Versionen bekannt wurde.

Weiterhin an lokalen Größen dabei sind Jan Delay, 8doogymoto, Viktor Marek Band und Superpunk; zwei Mitglieder diverser ungleich prominenterer Hamburger Bands werden ihr bislang recht familiär gehaltenes Projekt Phantom & Ghost präsentieren. Schließlich – und für mancheN ein Höhepunkt der Veranstaltung – wird die große Peaches (Toronto/Berlin) mit im Haus sein, und deren sexy schweiß-treibende Elektro-Punk-Parolen werden der (in sehr großer Überzahl auftretenden) männlichen Kollegenschaft möglicherweise ein adäquates Korrektiv sein.

Der Hintergrund des Ganzen übrigens ist ein Jubiläum: 1991 veröffentlichte man vom kleinen brö-ckelnden Haus am Fischmarkt aus einen Sampler (Operation Pudel XL 2000), auf dem sich etliches des in den Vorjahren dort musikalisch zu Erlebenden fand. Auch zur jetzigen Tour wird an einer Kompilation gebastelt, die im April erscheinen und wiederum einen Querschnitt durch jahrelanges Pudel-Programm liefern soll.

Was für eine Tendenz aber Veranstaltungen wie die „Operation Pudel“ eigentlich illustrieren, ist eine andere Fragestellung; dass nämlich einst über bodenständige do-it-yourself-Ethik ihre subkulturelle Relevanz herstellende Szenerien ihr Heil zunehmend im Schoße der früher verhassten „Hochkultur“ suchen. Alexander Diehl

Sonnabend, 22 Uhr, Schauspielhaus

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