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Als die Post für Herzen zuständig war

■ Eine szenische Lesung zum Thema: »Geschwisterliebe? — Bettine und Clemens in ihren Briefen«

Romantiker wie die Geschwister Bettina und Clemens Brentano schreiben nicht einfach nur Texte. Sie lieben sich buchstäblich und über Distanz. Der Mann schreibt: »Freundschaft heißt nicht zusammenhängen und zusammensitzen ...« und: »Wenn ich nicht hier bin, bin ich viel besser und kann viel reiner und freudiger mit Dir umgehen.« Seine Schwester sieht das ein wenig anders, aber auch ihr ist der Bruder willkommenes Medium, unklaren Gefühlen Ausdruck zu verleihen: »Ich möchte Dir alles vertrauen, was mir im Herzen liegt, aber es liegt so viel drin, was ich selbst nicht erkenne. Ich möchte beinah sagen, alle Tugend sei mir zuwider!« So weit aber darf es mit der Enthüllung unbewußter Wünsche niemals gehen, schnell wird aus dem Bruder ein strenger Pädagoge, der Gott um eine liebe Frau und einen Mann für die Schwester bittet. Worauf sie ihm antwortet: »das ist die Tonart in die ich durchaus nicht übersetzen kann«.

Noch ist es aber mit der Geschwisterliebe nicht aus. Von Clemens, der merkt, daß Bettina keine folgsame Schülerin ist, sind versöhnende Töne zu hören: »Ich habe einmal eine Geschichte gelesen von zwei Liebenden, die mutterselig allein in einem Wald saßen. Diese Leute wandten alle Mittel auf, um der Langeweile zu entgehen, sie schimpften und machten sich Vorwürfe, hatten Ängste usw.; sollten in unseren letzten Briefen sich nicht einige Ähnlichkeiten mit diesen Verliebten finden lassen?« Sie aber empfindet gar keine Langeweile und der bald folgenden Einklage ihres verlorenen Vertrauens antwortet sie knapp: »Erstens: Empfindung ist grade gelogen und Tatsache wahr. Zweitens: Wer klagt, ist nicht unschuldig!«

So ist es auch im Leben mit den beiden weitergegangen. Während Clemens Brentano romantischen Phantasien nachhing, die schließlich nur noch die katholische Kirche erfüllen konnte, verabschiedete sich Bettina von Arnim zunächst von der literarischen Bühne. Ihrem prosaischen Familienleben trotzte sie aber nach vielen Jahren die Zeit ab, ihre alten Ideale literarisch zu rekonstruieren. So flocht sie auch dem Bruder, mit dem sie wegen der Konversion zur Religion längst zerstritten war, noch einen »Frühlingskranz« aus dem gemeinsamen Briefwechsel der Jahre 1801-1803.

Ergänzt von biographischen und literaturwissenschaftlichen Texten, die Helmut Beek einbringen wird, lesen Petra Heymach und Erhard Schwandt die Korrespondenz der Brentano-Geschwister. Alle drei Vortragenden arbeiten im Schuldienst und sind Mitglieder der Bettina-von-Arnim-Gesellschaft, die sich sowohl als Schulverein an der Bettina-Oberschule in Reinickendorf wie auch mit einem internationalen wissenschaftlichen Jahrbuch um die Schriftstellerin bemüht. tojos

Um 20.00 in der Humboldt-Bibliothek, Karolinenstr.19, Berlin 27 (U-Bahnhof Tegel). Der Eintritt ist frei.

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