Als Wowereit "Ich bin schwul" sagte: Und das war auch gut so
Vor genau zehn Jahren sagte Klaus Wowereit seinen wohl berühmtesten Satz. Berlins Regierender Bürgermeister ist ein One-Man-CSD.
"Die Rente ist sicher", das war so ein Satz, der sich in das kollektive Gedächtnis gebrannt hat. 1986 entsprang er dem Mund des damaligen Arbeitsministers Norbert Blüm. Der historische Satz aus dem Munde des Klaus Wowereit, nächste Woche seit zehn Jahren Regierender Bürgermeister von Berlin, stammt aus dem Jahr 2001 und lautet: "Ich bin schwul, und das ist auch gut so". Gesagt hatte er diesen Satz auf dem Landesparteitag der SPD - als Spitzenkandidat seiner Partei für die anstehende Bürgermeistewahl.
Ein Satz, den er nicht ganz freiwillig sagte: Im Vorfeld der Wahlen waren "Gerüchte" über ihn aufgekommen, es stand zu befürchten, dass Wowereit Opfer einer Kampagne der Boulevard-Presse geworden wäre. Die sexuelle Denunziation und auch Erpressung des politischen Gegners - ein uraltes und zuvor stets bewährtes Mittel in der politischen Auseinandersetzung - Wowereit hat mit seinem Satz alle Drohkulissen in sich zusammensacken lassen.
Sein späterer Amtskollege Ole von Beust schaffte diesen Schritt erst viel später, nachdem ihn sein eigener Innensenator Roland Schill zu erpressen versucht hatte: Schill hatte gedroht, von Beusts Homosexualiät öffentlich zu machen. Von Beust wählte jedoch den Weg, den Wowereit zuvor geebnet hatte und stand von nun an auch öffentlich zu seiner sexuellen Identiät. Er hat es überlebt.
Der Satz markiert eine Zeitenwende
Wowereits berühmter Satz war jedoch viel mehr als nur ein Türöffner für Schwule in Regierungsämtern. Er markierte eine gesellschaftliche Zeitenwende, denn gleichzeitig war die "eingetragene Lebenspartnerschaft" für gleichgeschlechtlich Liebende eingeführt worden, ein zwar von Kompromissen geprägter aber doch wichtiger Meilenstein auf dem Weg der einst kriminalisierte Schwulen und Lesben in die Mitte der Gesellschaft.
"Ich bin schwul, und das ist auch gut so" wurde zum Leitsatz einer Dekade, in der vieles besser wurde für Schwule und Lesben. Und Klaus Wowereit wurde zu Recht ein Vorbild, denn er hat gezeigt, wie es geht: Wer selbstbewusst auftritt, hat nichts zu befürchten. "Wowi" hat weder seinen Lebensgefährten versteckt, noch hat er ängstlich den Kontakt zur Community gemieden. Im Gegenteil, er ist ein selbstverständlicher Bestandteil der Berliner Schwulen- und Lesbenszene, deren Problemen er auch politisch Rechnung getragen hat.
Knallharter Machtpolitiker
Natürlich musste Wowereit auch den handelsüblichen Preis für seine Offenheit zahlen: Fortan an wurde er an den gängigen Klischees über Schwule gemessen, schnell avancierte er zum "Partybürgermeister", der sich in der Friseur-Schickeria der Hauptstadt herumtrieb, anstand mal ordentlich zu regieren. Wenn er dann mal unbequem regierte, waren es im Volksmund gleich "die Scheiss-Schwulen da oben". An anderer Stelle wurden sogar zwei schwule junge Männer in der U-Bahn mit den Worten "So, jetzt nützt Euch Euer Wowereit auch nichts mehr" zusammengeschlagen, wie ein Protokoll des Berliner Antigewaltprojekts "Maneo" belegt.
Seltenen Gruppen werden seltene Eigenschaften zugeschrieben - die nächste Sarrazin-Debatte geht womöglich so: Die Schwulen sind in den oberen Etagen der Republik überrepräsentiert.
Wie selbstverständlich der Umgang mit Homosexualität in Deutschland tatsächlich ist, wird sich zeigen, falls Wowereit versuchen sollte, Kanzler zu werden. Doch zumindest ein schwules Klischee kann man ihm nicht anhängen, nämlich dass er ein Weichei ist. Im Gegenteil ist er ein knallharter Machtpolitiker. Und es gibt nicht wenige Schwule, die gerade deshalb verdammt stolz auf "den Klaus" sind.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland