Alpinismus in Nepal: Man geht wieder los

Nepal erlaubt wieder Touren auf den Everest. Ein Prinz aus Bahrain will unbedingt auf den Gipfel. Als Geschenk hat er Impfdosen im Gepäck.

Ein Zeltlager zu Füßen des Mount Everest

Zwischenstation auf dem Weg zum Dach der Welt: Basislager unter dem Mount Everest Foto: agefotostock/imago

BERLIN taz | Der Mount Everest mit seinen 8.848 Metern Höhe darf von der nepalesischen Seite aus wieder bestiegen werden. Trotz Corona, das haben die Behörden in Kathmandu mitgeteilt. Der sogenannte tibetische Aufstieg von der Volksrepublik China aus ist allerdings weiterhin untersagt.

Die nepalesische Entscheidung hat Folgen: Etwa 300 Permits, also Ge­nehmigungen, den höchsten Berg der Erde zu besteigen, hat die Re­gierung in Kathmandu binnen kurzer Zeit ­verkauft. Vor zwei Jahren, 2019, wurde der Rekord von 380 Permits aufgestellt.

Es kann also wieder massenhaft losgehen: lange Wanderung zum Everest Base Camp auf 5.200 Meter Höhe, eine Art Zeltstadt am Fuße des Berges; dort in engen Zelten warten, bis die Meteorologen einen günstigen Moment für den Aufstieg verkünden. Zwar hat die nepalesische Regierung verfügt, dass die Schlafzelte nur für je eine Person da sein sollen und dass die Versorgungszelte gut durchlüftet werden, aber nicht nur die Washington Post vermutet, dass hier „ideale Bedingungen für ein Superspreader-Event geschaffen wurden“.

Etliche Anbieter von Expeditionen und Trekkingreisen in den Himalaja wollen lieber noch warten. Die Firma „Alpenglow Expeditions“ aus den USA teilt auf Instagram mit, sie glaube nicht daran, „dass wir unter den aktuellen Umständen eine sichere Everestbesteigung von der nepalesischen Seite durchführen können“.

Die Kletterblase

Der deutsche Anbieter „Hauser Exkursionen“, der sowohl Trekking als auch Expeditionen im Himalaja anbietet, setzt auf sein Hygienekonzept. „Nach unseren Informationen gibt es sehr geringe Inzidenzen im Everestgebiet“, sagt Geschäftsführer Manfred Häupl. Man habe sorgfältig die Statistiken von Krankenhäusern in Phaplu und Khunde ausgewertet; jüngst sei zudem einer ihrer Partner vor Ort gewesen. Alle Berichte zeigten: „Dort gab es nur ganz vereinzelt Patienten mit Coronabehandlung.“

Der DAV Summit Club, der sich selbst als „nachhaltiger Spezialreiseveranstalter für aktive Berg- und Kulturerlebnisse“ unter dem Dach des Deutschen Alpenvereins bezeichnet, bietet derzeit keine Reisen nach Nepal an. Erst für den September werden Buchungen angenommen. „Dabei dürfte einem vollständigen Impfschutz steigende Bedeutung zukommen“, meint Markus Hermann vom DAV Summit Club. Touren auf Achttausender allerdings werden bis auf Weiteres nicht angeboten.

Von Reiseveranstaltern in den USA, die Expeditionen auf Achttausender wie den Everest anbieten, ist zu hören, dass sie zumindest für ihre jeweilige Aufstiegsgruppe eine eigene Blase organisieren wollen: ohne Kontakt zur einheimischen Bevölkerung, mit eigenen Ärzten, möglichst ohne Kontakt zu anderen Bergsteigern oder den Trägern, die überwiegend aus dem Volk der Sherpa stammen.

Wenig Wissen gibt es bislang darüber, wie sich die sauerstoffarme Luft auf Corona-Infizierte auswirkt. „Das Atmen ist in großen Höhen ohnehin eine Herausforderung“, heißt es bei dem amerikanischen Anbieter „Furtenbach Adventures“, „daher wäre ein Ausbruch des neuartigen Coronavirus, das zu einer schweren Atemwegs­­erkrankung führt, unter Bergsteigern besonders verheerend.“

Prinz Mohammed in Nepal

Von solchen Überlegungen gänzlich unberührt ist Prinz Mohammed Hamad al-Chalifa aus Bahrain. Gemeinsam mit einer Gruppe der von ihm befehligten Königlichen Garde hält er sich seit Mitte März in Nepal auf, um nach der langen Unterbrechung der erste Mensch zu sein, der wieder auf dem Everest steht. Zwar hat das Emirat Bahrein einen enormen Einfluss auf das arme Nepal, aber dennoch ermitteln die Behörden gegen den reichen Prinzen.

Der hat nämlich 2.000 Dosen Impfstoff ins Land gebracht und will sie in dem Dorf Samagaun im Ghorka-Distrikt verteilen. „Wir haben ein Team von Drogenin­spektoren eingesetzt, um zu untersuchen, wie die Impfstoffe ohne vorherige Genehmigung ins Land gebracht wurden“, erklärte der Chef der Arzneimittelbehörde.

2019 wurden noch 1,2 Millionen Touristen gezählt, im Coronajahr 2020 waren es nur 47.000

Die Bahrainer sagen, sie hätten von der nepalesischen Botschaft in Bah­rain eine Erlaubnis erhalten, doch die Behörde in Kathmandu hat viele Fragen: Unklar ist, ob es sich um ein in Nepal nicht zugelassenes Vakzin aus China handelt oder um den erlaubten AstraZeneca-Impfstoff. Unklar ist auch, ob zu der 16-köpfigen Prinzentruppe auch ein Arzt, eine Ärztin oder wenigstens Pflegepersonal gehört, das die Impfung vornehmen kann.

Zudem, so die Tageszeitung Kath­mandu Post, brüskiert es viele in Nepal, dass sich in dem 28-Millionen-Einwohner-Land, das bislang nur 400.000 Impfdosen erhalten hat, ein Prinz als reicher Gönner aufspielt, ohne die geltenden Impfprioritäten zu beachten.

Wie viel Einfluss der Prinz hat, merkt man schon daran, dass ihm während des Lockdowns letzten Herbst für sein Vorbereitungs- und Akklimatisierungsprojekt, einen Sechstausender und mit dem Mount Manaslu einen der niedrigeren Achttausender zu besteigen, eine Ausnahmegenehmigung erteilt worden war. Das Geld, das Prinz al-Chalifa ins Land trägt, wird dringend gebraucht. Waren im Jahr 2019 noch 1,2 Millionen Gäste in dem vom Tourismus extrem abhängigen Land, kamen im Pandemiejahr 2020 nur 47.000.

Für die Betreiber von Lodges, die Träger und die Bergführer ist der Lockdown eine ökonomische Tragödie. Sie verdienen ihre Jahreseinkommen ohnehin fast nur im Frühling, wenn zwischen Anfang April und Ende Mai die Everestbesteiger kommen, und im Herbst, wenn die Trekker durchs Land wandern. Ein Träger sagte einem Reporter der New York Times im November: „Ich denke oft, dass ich hungers sterbe, noch bevor Corona mich tötet.“

Nun also öffnet sich das Land, und die Behörden geben sich optimistisch. „Wir rechnen damit, dass Alpinisten und Bergwanderer, die Expeditionen und Reisen wegen der strikten Maßnahmen verschoben haben, nach Nepal kommen“, wird die Leiterin der Tourismusbehörde, Mira Acharya, zitiert. Damit es dann auch auf keinen Fall zu tourismusschädlichen Schlagzeilen kommt, hat sich die Regierung etwas ausgedacht: Ein neues Gesetz verbietet die „Verbreitung von Fotos und Videos, die ohne Zustimmung unserer Behörde auf dem Everest aufgenommen wurde“, wie Acharya sagt.

Hintergrund ist ein berühmt gewordenes Foto, das der Spitzenalpinist Nirmal Purja im Mai 2019 geschossen hat. Es zeigt, wie es unterhalb des Everestgipfels zum Stau kommt. Inmitten der wegen der Sauerstoffknappheit „Todeszone“ genannten Region mussten weit über 100 Bergsteiger teils Stunden warten, bis sie weiterklettern konnten.

Ob das Bilderverbot greifen wird, muss sich zeigen. Sonst aber läuft alles auf die Wiederkehr des Massentourismus hinaus. Vor wenigen Tagen gab der US-Rapper Mike Posner bekannt, er wolle im Rahmen eines Charityprojekts noch im April oder Mai den Everest besteigen. Man geht wieder los.

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