: Allianz schlingert
■ Das Londoner Institut für Strategische Studien ruft den Westen zur Einheit auf - die Angst vor den Gorbatschow–Vorschlägen zur Abrüstung sei unbegründet
London (ap/afp) - Der Iran–Waffenskandal hat die Fähigkeit der Vereinigten Staaten, eine dynamische Außenpolitik zu führen, stark beeinträchtigt und Zweifel daran aufkommen lassen, ob Washington auf eine ernsthafte sowjetische Herausforderung reagieren könnte. Zu diesem Schluß gelangt das Londoner Internationale Institut für Strategische Studien (IISS) in seinem am Donnerstag vorgelegten Jahresbericht. Präsident Reagan habe seine eigene Glaubwürdigkeit und die seines Landes zu einer Zeit untergraben, da er „dem subtilsten und dynamischsten“ Sowjetführer seit Jahren, Michael Gorbatschow, gegenüberstehe, heißt es in der Studie. Reagans Versäumnis, die Verantwortung für den Skandal zu übernehmen, habe „praktisch erwiesen, daß die mächtigste Nation des westlichen Bündnisses sich den Herausforderungen der kommenden Jahre mit deutlich verminderter Fähigkeit zu einer dynamischen Außenpolitik stellen muß“. Reagans Einstellung und Führungsstil hätten das Klima geschaffen, in dem sich chaotische Verhältnisse entwickeln konnten. Die Verbündeten der USA hätten „gute Gründe“ für Besorgnis. „Die Fähigkeit der USA, die Ereignisse im Nahen Osten, geschweige denn in Mittelamerika zu beeinflußen, wird nicht leicht zurückzugewinnen sein“, schreiben die Verfasser des Berichts. Der Direktor des IISS, Robert ONeill, vertrat auf einer Pressekonferenz die Auffassung, daß die Differenzen über die westliche Antwort auf die sowjetischen Raketenabrüstungsvorschläge die Geschlossenheit des NATO–Bündnisses bedrohen könnten. „Wenn die Verbündeten mit einer Reihe widersprüchlicher Positionen aufwarten, dann wird die Allianz ins Schleudern geraten“, sagte ONeill. Die Furcht der Westeuropäer, im Falle einer Einigung zwischen den Supermächten würden sie ohne Atomwaffen dastehen, bezeichnete er als unbegründet. Die NATO würde immer noch über rund 4.600 atomare Gefechtsköpfe verfügen können.
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