: Alles ocker oder was?
UMWELT Rostiges Spreewasser als Spätfolge der Braunkohleförderung bedroht Ökologie und Tourismus in Brandenburg. Jetzt reagiert Potsdam auf den Druck der Bevölkerung
■ Das landläufig „Ocker“ genannte rotbraune Eisenhydroxid ist ein Folgeprodukt der Braunkohleförderung, bei der großflächig der Grundwasserspiegel abgesenkt wird. Der Luftsauerstoff lässt das Mineral Schwefelkies zu Eisen und Sulfat verwittern, die ins Grundwasser gewaschen werden und schließlich im Fluss landen. (taz)
Die ökologischen Folgen des Braunkohlebergbaus in der Lausitz werden die brandenburgische Landespolitik weiter beschäftigen – und auch die Berliner können sich langfristig nicht vor dem Problem drücken, das in Form der „Verockerung“ auf sie zutreibt. Nun geht Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) auf Forderungen des Aktionsbündnisses „Klare Spree“ ein – jedenfalls ein bisschen. Das Bündnis verlangt ein Gesamtkonzept für die Folgen der Kohleförderung und wirksame Maßnahmen gegen die Braunfärbung des Flusses.
Verstopfte Kiemen
Bei Spremberg im südlichen Brandenburg sieht die Spree derzeit rostbraun aus. Die Ursache der Verfärbung ist Schlamm aus Eisenhydroxid, der sich auch auf dem Grund und am Ufer absetzt, Wasserpflanzen tötet und Fischen die Kiemen zusetzt. Neuen Schwung in die Diskussion über die Eisenhydroxidbelastung brachte die Veröffentlichung eines Gutachtens Mitte Februar. Das fast 400 Seiten dicke Papier des Dresdner Instituts für Wasser und Boden (IWB) entstand im Auftrag des bundeseigenen Bergbausanierers Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbauverwaltungsgesellschaft (LMBV). Zunächst war nur eine Kurzfassung erhältlich.
Doch es gab Proteste: Betroffene befürchteten, das Ausmaß der Verschmutzung werde verschleiert, der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) beantragte Akteneinsicht. Nun kann die ganze Studie eingesehen werden. Neben allerlei hydrologischen Messdaten und Tabellen wird darin das Ausmaß der braunen Fracht dokumentiert: So spült die Spree täglich 6,8 Tonnen Eisen in die Talsperre Spremberg, im Jahr macht das rund 2.500 Tonnen. Noch hält die Talsperre das Eisen zurück. Allerdings hat das Staubecken keine Filter. Die flussabwärts liegende Spreewaldregion lebt vom Tourismus und sieht sich in ihrer Existenz bedroht.
Das Aktionsbündnis Klare Spree fürchtet gravierende ökologische und ökonomische Beeinträchtigungen des Spreewalds. „Der Tourismus ist hier die einzige Perspektive“, sagt Jana Eitner vom Bündnis. Es dürfe nicht infrage gestellt werden, was in den letzten 20 Jahren aufgebaut worden sei.
Die Sorgen in der Brandenburger Lausitz konnte auch die braunkohlefreundliche SPD nicht mehr ignorieren. Ministerpräsident Platzeck versprach deshalb nun eine Rettungsaktion. Die besteht im Wesentlichen aus einer geplanten Vereinbarung mit dem Nachbarland Sachsen und Maßnahmen, die die LMBV ohnehin umsetzen wollte. So soll der Nebenfluss Wudritz vom Schlamm befreit und die ehemalige Absetzanlage bei Vetschau wieder in Betrieb genommen werden. Außerdem will man den Säuregehalt des Großen Schlabendorfer Sees bei Lübbenau mit Kalk bekämpfen.
Nach Angaben des Vorsitzenden der LMBV-Geschäftsführung, Mahmut Kuyumcu, stehen für dieses und das kommende Jahr rund 9 Millionen Euro für die Verbesserung des Wasserzustands der Spree in Brandenburg und Sachsen bereit.
Die Braunkohleförderung in der Lausitz soll trotzdem weitergehen. Momentan betreibt der Vattenfall-Konzern drei Tagebaue in Brandenburg, weitere gibt es in Sachsen. Etwa 62 Millionen Tonnen des fossilen Brennstoffs wurden 2012 nach Unternehmensangaben abgebaggert, so viel wie seit 1993 nicht mehr. Zurzeit läuft das Planungsverfahren, um den Tagebau in Welzow zu erweitern. Strom wird aus der Braunkohle unter anderem im Berliner Kraftwerk Klingenberg erzeugt.
Die braune Spree habe allerdings nichts mit den heutigen Tagebauen zu tun, so Martina Gregor-Ness, umweltpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion. Diese Überzeugung formulierte sie zuletzt auch in einer aktuellen Stunde des Brandenburger Landtags. Überdies sollten die Medien „nicht so viele dramatische Bilder produzieren“. Pikant daran: Gregor-Ness sitzt auch im Aufsichtsrat der Vattenfall Europe Mining AG.
Sulfate werden kommen
Außerdem bleibt es nicht beim Eisenhydroxid. Tagebaue – ob stillgelegt oder aktiv – setzen auch Sulfat frei, das bis nach Berlin gelangen kann. In Berlin wird Trinkwasser aus Uferfiltraten der Spree gewonnen. Noch seien keine Grenzwerte überschritten und sei keine toxische Wirkung nachweisbar, heißt es im brandenburgischen Umweltministerium. MARCO ZSCHIECK