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Alles Makulatur

■ Statt Fusionitis herscht in Wilhelmsburg weiter sportliche Kleinstaaterei

Am späten Mittwochabend scheiterten im gut besuchten Bürgerhaus Wilhelmsburg jahrelange Fusionsbestrebungen von zuletzt vier Vereinen (taz berichtete). Die Mitglieder des TSC Viktoria Wilhelmsburg-Veddel und SV Vorwärts Ost verweigerten ihre Zustimmung. Zwar sprachen sich die Nachbarklubs WSV 93 und TV Jahn mit überwältigender Mehrheit für einen Zusammenschluss aus, doch der in nächtelangen Sitzungen ausgetüftelte Verschmelzungsvertrag des neu zu gründenden SV Wilhelmsburg ist damit Makulatur.

„Wir müssen unsere Kräfte bündeln“, beschwor Versammlungsleiter Dr. Fritz Steinseifer vor der Abstimmung und erinnerte an ständig sinkende Mitgliederzahlen in allen Klubs. Ein neuer Großverein hätte Vorteile bei der Sponsorensuche, größeres Gewicht gegenüber Politik und Verbänden und könnte ein breiteres Sportangebot leisten. Doch der Appell des Vorsitzenden des TSC Viktoria verhallte ausgerechnet in den eigenen Reihen ohne Echo. Bereits wenige Minuten nach der Auszählung ahnte er, wer quer geschossen hatte: „Ich muss annehmen, dass sich unsere Tennisabteilung geschlossen gegen die Verschmelzung ausgesprochen hat.“

Steinseifers Vermutung trifft ins Schwarze. Schon im Vorfeld hatte es kritische Stimmen aus der 120 Aktive zählenden Tennisabteilung des TSC Viktoria gegeben. „Unsere Abteilung würde eine Menge Vorteile verlieren“, hatte der Abteilungsleiter Bernd Michalek unter Verweis auf die finanzielle Unabhängigkeit vom Hauptverein vor einigen Wochen geunkt. Die Tennisanlage des TV Jahn gilt unter Viktorianern als unmodern und ist zudem mit 460.000 Mark Verbindlichkeiten belastet. Als bei der finalen Aussprache im Bürgerhaus in letzter Minute zudem herauskam, dass der neu zu gründende SV Wilhelmsburg eine nicht unerhebliche Summe Grunderwerbssteuer zahlen müsse und Darlehensgeber des TV Jahn abspringen könnten, war das Abstimmungsdesaster vorgezeichnet. Volker Stahl

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