: Alle können weiter pfennigfuchsen
■ Heißt Willi Hundertmark jetzt Willi Fünfzigeuro? Gestern wurden auch in Bremen die ersten Euros verteilt. Die taz sprach mit zwei Bremern, die dazu ganz bestimmt eine Meinung haben: Designer und Jahrhundertzeuge im Gespräch
Detlef Rahe ist Designprofessor, dazu noch erfolgreicher Designer. Sogar Bundesadler hat er schon entworfen. Auch beim neuen Geld hätte er gerne mitdesignt. Es hat ihn aber keiner gefragt. Sonst hätten wir ab 2002 womöglich keine kupferfarbenen Ein- und Zwei-Cent-Stücke. Der Abschied von der D-Mark fällt Rahe nicht schwer, dafür aber der vom Gulden. Ästhetisch ist der Euro für ihn ein schlechter Kompromiss.
taz: Ihr Kurz-Urteil zu den Euro-Münzen?
Rahe: Zu viele...
Zu viele verteilt oder zu viele Münzen?
Zu viele Münzen, den Einer, den Zweier und den Fünfer brauch ich nicht. Und das ist auch eine Frage des Designs, so wie ich es verstehe! Diese Verdummerei mit den Pfennig- oder Cent-Beträgen hätte man sich sparen können.
Wenn es schon zu viele sind, sehen sie wenigstens gut aus?
Die Scheine sind etwas besser als die Münzen, aber beides versucht die klassischen Merkmale von ,Geld' zu retten. Die Zwei-Materialität der Ein- und Zwei-Euro-Münzen kennt man aus den südlichen Ländern, die zwanzig Cent spielen auf die zwanzig Centime in Frankreich an, und die Kupfergeld-Stücke – ein Cent, zwei Cent, fünf Cent – das sind Münzen, mit denen der Deutsche in seiner Pfennigfuchserei befriedigt wird. Damit ist die Chance vertan, eine eigenständige Gestaltungsqualität zu finden. Herausgekommen ist ein historisierender Kompromiss.
Die Fünfzig-Cent-Münze sieht aus wie ein Kronkorken, weil sie diese Dellen im Rand hat...
Das sagen nur Deutsche, weil bei uns alle wertvollen Stücke glatt und silberfarben waren. In anderen Ländern waren die oft geriffelt.
Ist die kleinteilige Abbildung von Europa gelungen?
Nein, erstens kann man ein so komplexes grafisches Gebilde nicht auf einer so kleinen Fläche angemessen darstellen, zweitens sind da Länder abgebildet, die gar nichts mit dem Euro zu tun haben.
Auf einigen Münzen ist sogar die Weltkugel abgebildet. Sind das europäische Phantasien?
Diese Interpretation finde ich weit hergeholt.
Statt den graden Zahlen, wie wir sie kennen, sind da jetzt schräg gestellte, kursive. Was soll das ausdrücken?
Keine Ahnung. Es gibt ja so Oberschlaumeier, die glauben, sobald man eine Ziffer kursiv stellt, drückt man damit Dynamik aus. Aber plötzlich wirkt das, was dynamisch sein sollte, nur noch wackelig.
Zu den Sternen – von der Europa-Flagge bekannt, letztlich assoziiert man damit aber die USA.
Das hängt glaub ich damit zusammen, dass auf der Vorderseite der Münze nur ein halber Sternenkreis abgebildet ist. Da haben wir ja nicht nur Stars sondern auch Stripes. Ich finde diese Linien übrigens unheimlich dekorhaft. Die haben keine Aussage, keine Bedeutung. Die sehen aus wie Notenlinien oder eine Harfe, oder was?
Noch ein Wort zum Adler?
(Lacht) Wunderbar, dass sich da noch einer einen Adler ausgedacht hat! Das ist jetzt ungefähr der hundertste. Da haben wir aber schon bessere gesehen.
Welches ist ihr Lieblingsgeld?
Das finnische, das schweizerische und das holländische.
Hätten Sie den Auftrag, das neue Geld zu erfinden, gerne gehabt?
Sehr gerne!
Was hätten Sie anders gemacht?
Ich hätte versucht, etwas Neues zu kreieren. Was Farbe und Größe angeht wäre ich vielleicht mutiger rangegangen. Wie ich's genau gemacht hätte, kann ich ihnen nicht sagen, denn dann hätte ich schon daran arbeiten müssen.
Fragen: Elke Heyduck
Willi Hundertmark, knapp hundert Jahre alt, linker Journalist, Kommunist und Ehrenvorsitzender im Verein der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten, lässt sich vom Euro nicht aus der Ruhe bringen.
taz: Der Euro kommt, die Mark geht – haben Sie schon ein Euro-Starter-Set gekauft?
Willi Hundertmark: Nein. Ich werde auch keins kaufen. Dieses Theater mache ich nicht mit. Für mich ist das die dritte Währungsreform. Ich lass' das ruhig angehen.
Alle Leute müssen bald Mark in Euro umrechnen. Müssen Sie auch Ihren Namen ändern?
Nein, der bleibt. Der kommt aus der Zeit, als die Türken Europa bedrohten. Da musste aus dem Dorf jeder Neunte in die Stadt gehen. Und da hat einer meiner Vorfahren gesagt: Ich bin der Hundertste aus der Mark. Hat mit dem Geld also überhaupt nichts zu tun. Damals gab's Heller und Batzen, aber keine Mark. Und der Name hat sich langsam umgewandelt in Hundertmark.
Ein Name, der zum Scherzen einlädt.
Ich stell' mich ja selbst meistens vor: „Hier sind 100 Mark.“
Und wie sagen Sie in Zukunft?
In Zukunft bleibt's dabei: „Hier sind 100 Mark.“
Sie haben in Ihrem Arbeitsleben auch viel Kontakt mit Kunden gehabt. Wie haben die denn auf Ihren Namen reagiert?
Einmal habe ich mit einer Frau am Telefon einen Beratungstermin abgemacht, und dann sagt sie zum Schluss: „Mit wem habe ich gesprochen?“ – „Hier sind 100 Mark.“ – „Ach, bekomme ich 100 Mark?“ – „Nein, aber ich komme. Wenn die 100 Mark kommen, dann haben Sie 100 Mark, und wenn sie wieder weg gehen, dann sind sie wieder weg.“ Das konnte die überhaupt nicht begreifen...
100 Mark sind ja 'ne ganze Stange Geld, für die man bislang einiges kaufen konnte.
Früher noch viel mehr!
Bezahlen Sie oft mit Ihrem guten Namen?
Nein, das geht nicht. Da will keiner wechseln.
Verliert Ihr Name jetzt an Wert?
Naa, wieso, der Name kann doch nicht an Wert verlieren. Im Gegenteil: Der Wert steigt.
Schätzen Sie mal: Wie viel Euro ist Ihr Name jetzt wert?
Der ist unbezahlbar.
Fragen: hoi
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