Ali vs. Frazier: Onkel Tom und der Lutscher
Der größte Kampf aller Zeiten, Frühjahr 1971: Muhammad Ali und Joe Frazier treffen erstmals im Ring aufeinander. Damals zerbrach die Freundschaft der Kontrahenten.
Der 8. März 1971 war ein Montag. Im New Yorker Madison Square Garden fand der Kampf des Jahrhunderts statt. Zwei ungeschlagene Schwergewichtsboxer, beide Olympiasieger - Muhammad Ali 1960, Joe Frazier 1964 - trafen aufeinander. Ali war sein Weltmeistertitel, den er 1964 erkämpft hatte, 1967 wegen seiner Weigerung, in der US-Army zu dienen, aberkannt worden. Frazier trug ihn seit 1968.
Ali war mehr als Boxen. Er inszenierte sich als Vertreter der Schwarzen Amerikas, als Kämpfer für die unterdrückten Kontinente. "Jeder Schwarze, der sich für Joe Frazier ausspricht, ist ein Verräter", brüllte Ali vor dem Kampf hinaus. "Die Einzigen, die ihm die Stange halten, sind Weiße in Anzügen, Sherrifs aus Alabama und Typen vom Ku-Klux-Klan. Ich aber kämpfe für die kleinen Leute aus dem Ghetto."
Zu diesen kleinen Leuten gehörte Joe Frazier, geboren im Slum in South Carolina, während Ali einer schwarzen Mittelschichtsfamilie entstammte. Ali war das gleichgültig: Frazier sei ein "ignoranter Gorilla", trommelte er, "zu hässlich, ein Champ zu sein", ein "Onkel Tom". Als ob das nicht genug war, legte Ali nach: "Wenn man Frazier fragt: Wie fühlst du dich, Champ?, dann antwortet er: Duh, duh, duh." Jeder der Boxer erhielt 2,5 Millionen Dollar, die höchste bis dahin gezahlte Kampfbörse. Übertragen wurde es in 26 Länder, geschaut von 300 Millionen Menschen - im Jahr 1971 waren das Rekordmarken.
Für einen Schwergewichtskampf ging es im Ring bemerkenswert schnell los. Ali setzte mit langem Arm Jabs, "Smokin Joe" Frazier, der kleiner war, bohrte sich in den Gegner hinein und hämmerte Alis Oberkörper müde. Nur zwei der 15 Runden gingen an Ali, wenige waren unentschieden, die meisten gewann Frazier. In der 15. Runde schickte er Ali zu Boden. Der stand wieder auf, kämpfte zu Ende, aber Alis Kampf war verloren. Drei Jahre später, Frazier hatte zwischenzeitlich seinen WM-Titel an George Foreman verloren, trafen die beiden erneut aufeinander. Ali gewann den Fight, und 1975 - Ali war ein Jahr zuvor im "Rumble in the Jungle" gegen Foreman endlich wieder Weltmeister geworden - kam es zum dritten Ali-Frazier-Kampf. Diesen "Thrilla in Manila" gewann Ali, doch im Grunde gab es keinen Sieger: Weder Ali noch Frazier waren je dem Tod so nahe.
Doch an der Bedeutung des "Fight of the Century" von 1971 rütteln die großen Kämpfe, die danach kamen, nicht. Der US-Journalist Michael Arkush bilanziert: "Was diesen Kampf wirklich zum Kampf des Jahrhunderts macht, ist das, wofür - und wogegen - Muhammad Ali und Joe Frazier gekämpft haben."
Doch zur Geschichte des 71-er Kampfes gehört auch dies: Bis 1970 waren Ali und Frazier Freunde. In der Zeit von Alis Berufsverbot hatte ihm Frazier Geld geliehen. Befragt zu Alis Wehrdienstverweigerung sagte Frazier verständnisvoll, wenn seine Religion es ihm verbiete, dann hätte er genauso wie Ali gehandelt. Sogar über "Onkel Tom"-Typen im Boxgeschäft hatten sich die zwei 1970 lange unterhalten und waren einer Meinung.
Dass sein früherer Freund Ali ihn plötzlich rassistisch beleidigte, verletzte Frazier sehr. Bis heute. "Ich will mit diesem Lutscher wieder kämpfen, ihn Stück für Stück durchprügeln und ihn zu Jesus zurückschicken", schrieb Frazier in seiner 1996 erschienenen Autobiografie und bewies damit doch wieder nur mediales Missgeschick: Im selben Jahr wurde Ali nämlich als zitternder, von Parkinson gezeichneter Mann, der bei den Olympischen Spielen in Atlanta das Feuer entzündete, endgültig zur Ikone einer besseren Welt.
Ali, der Gewinner der Geschichte, hat mittlerweile Frazier mehrmals um Entschuldigung gebeten: "Joe Frazier ist ein guter Mann. Was ich erreicht habe, hätte ich ohne ihn nie erreicht." Wie schlecht Alis Gewissen ist, einen der besten Schwergewichtsboxer aller Zeiten rassistisch beleidigt zu haben, merkt man daran, dass er Frazier nicht einmal übel nimmt, weiter Alis "Sklavennamen" Cassius Clay zu benutzen.
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