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■ Algerien: Große Mehrheit votiert für Bouteflikas ReferendumWird jetzt alles gut?

Präsident Abdelasis Bouteflika ist seit gestern wirklich Staatschef. Nach der überzeugend hohen Zustimmung für seine Politik der nationalen Aussöhnung beim Referendum vom Donnerstag sind die Vorwürfe des Wahlbetrugs gegen ihn endgültig vergessen. Egal, wie er im April an die Macht kam, jetzt ist er Präsident aller Algerier. Und er ist die Figur, an die sich die kollektiven Hoffnungen knüpfen.

Die Menschen im nordafrikanischen Krisenland wollen endlich ein Leben in Frieden, und das hat ihnen Bouteflika in Aussicht gestellt. Und ihm scheint zumindest eines gelungen: die Gewalt zu stoppen. Immer neue bewaffnete Gruppen ergeben sich. Die großen Städte sind so sicher wie schon lange nicht mehr, die Landstraßen und Zuglinien können zumindest tagsüber wieder bedenkenlos benutzt werden. Das Gefühl der allgemeinen Sicherheit dürfte sich in den nächsten Wochen und Monaten noch verstärken. Es wird erwartet, dass sich weitere Kontingente von Untergrundkämpfern stellen.

Doch damit ist es nicht genug. Die Krise hat Ursachen. Und die sind in der sozialen Ungerechtigkeit und in der wirtschaftlichen Not zu suchen. Falls Bouteflika diese Probleme nicht angeht, kann die Lage erneut explodieren, nicht heute, nicht morgen, aber sicher in einigen Jahren. Nur ein Dialog mit allen sozialen Kräften kann die Wunden im Land zum Heilen bringen. Zu unterschiedlich sind die Konzepte der verschiedenen Sektoren, als dass sie übergangen werden können. Neben den fehlenden Zukunftsaussichten für die Jugend des Landes gilt es eine Antwort auf die Rolle der Religion im gesellschaftlichen Leben zu finden. Weder eine islamische Republik noch ein laizistisches System nach europäischem Vorbild kann in Algerien auf Dauer Ruhe und Fortschritt bringen.

Hinzu kommt das Problem der nationalen Minderheit, der Berber. Die massiven Stimmenthaltungen in Bejaia und Tizi Ouzou zeigen das. Die Demokratisierungsdebatte von Ende der Achtzigerjahre, die durch die tragischen Ereignisse zum Erliegen kam, muss wieder aufgenommen werden.

Ein Sieg an den Urnen, wie der von Bouteflika, kann einen Präsidenten leicht zu selbstherrlichem Regieren verführen. Zumal wenn er wie Abdelasis Bouteflika aus der Schule des Einparteiensystems kommt, dem er einst unter dem historischen Präsidenten Houari Boumediene als Außenminister diente. Das wäre das Schlimmste, was jetzt passieren könnte. Reiner Wandler

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