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Gamification der ArbeitEin Wolfsbaby als Belohnung

Arbeit als Mittel der Selbstoptimierung mit lockeren Spielen verbinden. Ist „Gamification“ unproduktiver Spaß oder einfach nur Kapitalismus?

Alle brauchen ein bisschen Spielzeit Foto: Depositphotos/imago

D opamin flutet mein Hirn, als ich ein Kreuz auf meinem Bingo mache. Das dritte schon dieses Jahr! Heute habe ich es endlich geschafft, mir eine Massagepistole zu kaufen. Das stand ewig auf meiner To-do-Liste.

Es ist das erste große Kreuz auf meinem Neujahrsbingo, die ersten beiden waren kleine für geschaffte Teilaufgaben. Zum Beispiel habe ich das erste von zehn Büchern, die ich dieses Jahr lesen will, durch. Stolz starre ich auf die bunten Kästchen.

Es gibt zig Möglichkeiten, das Leben in ein Spiel zu verwandeln. To-do-Listen und Bingos sind nur der Anfang. Mein TikTok-Algorithmus spült mir Crea­to­r:in­nen rein, die Excel-Spreadsheets verkaufen. Es gibt welche für den Haushalt, für Finanzen oder Fitness – alle in Pastellfarben. Ich finde sogar Excel-Sheets für strategisches Dating.

Diverse Apps und Programme haben das To-do-Listen-Game professionalisiert. Bei „Habitica“ bekomme ich für jede Aufgabe virtuelles Geld und Erfahrungspunkte. Nach drei Tagen Produktivität werde ich mit einem Ei, aus dem ein Haustier schlüpft, belohnt. Ein Wolfsjunges, wie süß!

Maximale Produktivität

Aber ist das noch Spiel oder einfach Neoliberalismus? Will ich meinen Spaß am Spiel wirklich ausnutzen, um mich zu maximaler Produktivität anzutreiben?

Die britischen Soziologen Jamie Woodcock und Mark Johnson sagen, es gibt Gamifizierung von oben und von unten. Von oben heißt: Che­f:in­­nen nutzen Strukturen des Spielens, um mich dazu zu bringen, mehr zu arbeiten. Je mehr ich leiste, desto höher werden meine Prämien oder desto eher werde ich zur Mit­ar­bei­te­r:in der Woche gekürt.

Wenn ich mir Produktivitätsapps herunterlade, werde ich meine eigene Chefin. Ich treibe mich an, anstrengende Dinge zu tun, um zu funktionieren, indem ich meinen Spieltrieb anzapfe. Vielen Menschen hilft Gamifizierung, um in der Leistungsgesellschaft klarzukommen.

Andererseits ist das Ziel von solcher Gamifizierung immer, den Kapitalismus aufrechtzuerhalten. Die Apps erzählen uns zwar, wir würden profitieren, weil wir fitter, produktiver und glücklicher werden. In Wirklichkeit profitieren Unternehmen und Reiche von unserer Arbeit, unserem Konsum oder unseren Daten.

Zocken statt Homeoffice

Als Widerstand gegen Gamifizierung von oben schlagen Woodcock und Johnson Gamifizierung von unten vor. Dann stehen nicht mehr die Spielstrukturen im Mittelpunkt der Arbeit, sondern das Ziel des Spielens. Und das ist immer: Spaß. Sinnloser, unproduktiver Spaß. Wenn ich meinen Arbeitslaptop zum Beispiel für Minesweeper nutze, statt zu arbeiten. Wenn ich im Homeoffice zocke. Wenn ich hier keine Gaming-Kolumne aufschreibe, sondern nur eine Liste meiner Lieblingswörter.

Mein Bingo ist ein perfekter Mittelweg. Klar steckt da Selbst­optimierung drin. Meine Masterarbeit schreiben, 10 Bücher lesen. Irgendwie muss ich ja was schaffen. Aber ich will auch auf ein Festival gehen, eine Freundin in Köln besuchen und ein neues Land bereisen. 2025 soll Spaß bringen.

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Alexandra Hilpert
Redakteurin
Hat in Leipzig Journalismus studiert und ist seit 2022 fest bei der taz, aktuell im Online-Ressort als CvD und Nachrichtenchefin. Schreibt am liebsten über Wissenschaft, Technik und Gesellschaft, unter anderem in ihrer Kolumne Zockerzecke.
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