: Alexander Lebed entlarvt sich selbst
■ Der Chef des russischen nationalen Sicherheitsrats nennt sich Halbdemokrat und fordert eine Erweiterung seiner Rechte. Stichwahl um Präsidentenamt hat begonnen
Moskau (AFP/dpa/rtr) – Einen Tag vor der entscheidenden Stichwahl um das russische Präsidentenamt hat Alexander Lebed einer Demokratie nach westlichem Vorbild eine Absage erteilt. „Eine parlamentarische Demokratie ist nichts für unser Land“, zitierte die Nachrichtenagentur ITAR-TASS gestern den Sicherheitsberater und Chef des nationalen Sicherheitsrates. Lebed bezeichnete sich selbst als „Halbdemokraten“.
Zugleich nannte er Berichte, er habe nach seiner Ernennung mehr Vollmachten von Präsident Boris Jelzin gefordert, als „übertrieben“. „Ich bin kein Monster, ich bin ein Mensch“, sagte Lebed. Zusätzliche Vollmachten wünsche er sich nicht aus persönlichem Interesse, sondern für die Lösung von Sicherheitsproblemen des Staates. Das Hauptanliegen seiner Sicherheitspolitik sei das Wohl der Streitkräfte und des militärisch-industriellen Komplexes. Lebed kündigte erneut eine strengere Visumpflicht für Ausländer „schon in nächster Zeit“ an. Damit wolle er keinen neuen „eisernen Vorhang“ schaffen, sagte er. Das Land müsse sich aber schützen, weil zu viel illegal ein- und ausgeführt werde.
Unterdessen dementierte das russische Präsidialamt Gerüchte, daß Staatschef Boris Jelzin ins Krankenhaus eingeliefert worden sei. Der Leiter seines Pressebüros, Igor Ignatiew, sagte, jemand habe derartige Berichte wegen finanzieller Spekulationen in die Welt gesetzt. Über den Gesundheitszustand Jelzins wird bereits seit Tagen spekuliert.
In der tschetschenischen Hauptstadt Grosny, wo wegen der schwierigen politischen Verhältnisse an zwei Tagen gewählt wird, wurden mehrere Menschen verletzt, als vor einem Wahllokal eine Bombe hochging. Die von Moskau eingesetzte Regierung rief die Tschetschenen dazu auf, möglichst zahlreich ihren Bürgerpflichten nachzukommen. Beim ersten Durchgang war es zu zahlreichen Unregelmäßigkeiten gekommen. So konnten etwa auch ausländische Journalisten Stimmen abgeben. Seiten 9 und 14
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