Album „Maps“ von billy woods: Gras, Essen, Soundcheck
Der Rapper billy woods betreibt mit Backwoodz Studioz eins der führenden unabhängigen Rap-Labels. Nun veröffentlicht er sein neuestes Werk.
Der Alltag auf Tour, verarbeitet zu Songs, ist eine besondere Form des Konzeptalbums. Für den Jazz gehören etwa Dave und Iola Brubecks „Real Ambassadors“ (1962) und „200 Motels“ (1971) von Frank Zappa für den psychedelischen Rock zu den bekanntesten Werken dieser Gattung. Mit „Maps“ haben Rapper billy woods und Produzent Kenny Segal aus den USA nun ein Beispiel aus der Perspektive des zeitgenössischen HipHop vorgelegt.
Die 17 Stücke des Albums behandeln dabei Erfahrungen auf einer Konzertreise, die billy woods nach Ende der Reisebeschränkungen durch die Covidpandemie gemacht hat. Ein Großteil der Aufnahmen entstand auf diesem Trip. Seit 2013 hat sich billy woods zur festen Größe im HipHop-Untergrund entwickelt.
Das liegt zum einen an den hochkarätigen Alben, die der die Anonymität schätzende New Yorker – sein Gesicht ist auf allen Fotos verdeckt, sein genaues Alter unbekannt – alleine oder als Duo Armand Hammer veröffentlicht hat. Ebenso wichtig für seine Bedeutung ist aber auch das Label Backwoodz Studioz, das woods in Brooklyn betreibt und das zum führenden unabhängigen Rap-Label aufgestiegen ist.
Der Sprechgesang von woods ist geprägt von zahlreichen Anspielungen auf HipHop, Popkultur, Literatur, Politik und Geschichte. Seine Reime fließen in einem frei-assoziativen Strom, wobei einzelne Zeilen zugleich die Kraft von Pointen besitzen. Die Texte erzählen mitunter düstere Geschichten, enthalten Alltagsbetrachtungen wie Reflexionen über die Gegenwart, gepaart mit dunklem Humor. Vorbild für seinen Stil ist dabei der exzentrische Rapper MF Doom, dessen Eltern wie die von woods aus Simbabwe und der Karibik stammen.
Paradiesvögel und Stalin-Zitate
In der zum Album veröffentlichten zweiten Single „Soft Landing“ geht es um die Gedanken während eines Fluges. Hier verwendet woods Tiermetaphern als Sinnbilder für seine Sicht auf die Welt. In der ersten Strophe werden gefangene Paradiesvögel und ein Josef Stalin zugeschriebenes Zitat zum beißenden Kommentar über Gleichgültigkeit angesichts von Gewalt vermengt: „Birds-of-paradise in the menagerie / A single death is tragedy / but eggs make omletts / Statistics how ya look at war casualities / Killin’ is one thing / What sticks is how casually“.
Der Refrain wiederum ist eine Referenz an das mit Nina Simone verbundene Lied „Feeling Good“, in dem hochfliegende Vögel mit freudigem Aufbruch verbunden sind, ein Enthusiasmus, der durch die pessimistischen Grübeleien von woods über den Wolken ironisiert wird.
Mit Kenny Segal hat woods bei „Maps“ schon zum zweiten Mal zusammengearbeitet. Die Arrangements des Produzenten aus Los Angeles reagieren kongenial auf die dichten Wortgeflechte des Rappers: Da gibt es unvorhergesehene Sprünge und harte Brüche, Rhythmen werden in Zeitlupe gedehnt, Harmonieteppiche nur lose geknüpft. „Blue Smoke“ mit seinem Kontrabass lässt woods’ Vortrag wiederum wie eine jazzige Slam-Poetry-Improvisation klingen.
Amsterdam, Bratislava und Johannesburg, aber auch US-Metropolen wie Chicago: Städtenamen verwandeln sich auf woods’ Tour in ortlose Stationen. Zur Orientierungslosigkeit kommen Jetlag und der Versuch, die Kommunikation mit der Familie zu Hause übers Internet aufrechtzuerhalten („FaceTime“).
Ein Leben on the road
Neben den Erschöpfungen und Problemen, die sich bei jeder Reise ergeben, thematisieren Stücke wie „Soundcheck“ das Leben eines Rappers on the road: Genervt zählt woods auf, wo er alles sein könnte, anstatt beim Soundcheck die Technik zu testen – um im Refrain zuzugeben, manchmal die eigenen Texte im Konzert zu vergessen.
Zu den Grundbedürfnissen von woods auf seiner Reise um den Globus zählen aber eindeutig Gras und Essen. Bei den Hinweisen auf unterschiedlichste Speisen der Weltküche darf dann eine Referenz an Anthony Bourdain nicht fehlen. Der Starkoch und Gourmet-Autor wurde vor allem für seine TV-Serien bekannt, für die er Gegenden bereiste und ihre Gerichte vorstellte.
billy woods & Kenny Segal: „Maps“ (Backwoodz Studioz)
Als er sich 2018 das Leben nahm, trauerte auch die HipHop-Szene um ihn, weil Bourdain in seine Sendungen oft Rapper:innen eingeladen hatte. In „The Layover“ zitiert woods nun Bourdain, der wusste, dass unterwegs sein prägt und verändert. Die Musik von „Maps“ beweist eindrücklich, dass die Reise von billy woods und Backwoodz Studioz auf alle Fälle weitergeht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
Abschluss G20-Gipfel in Brasilien
Der Westen hat nicht mehr so viel zu melden
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen