Albert Hefele: Herr Hefele kriegt zwei Minuten
■ Tut mir leid, aber: Beim Gewäsch der Snowboarder kommt mir das große Kotzen
Ich komm' gleich zur Sache: Snowboarden ist bescheuert. Heult ruhig auf, ihr Massen! Ich bleibe dabei und sage es noch einmal: Es ist bescheuert. Warum? Weil es keinen Grund dafür gibt.
Weil es blöde wichtig tut und eitel die Nasenlöcher bläht. Weil die es Interpretierenden im Ernst glauben, sie hätten etwas gigantisch Neues erfunden und sich einreden lassen, dieses ihr unerhebliches Tun hätte das Zeug zum KULT! Daß ich nicht kichere! Was denn? Warum denn? Was ist magisch oder auch nur originell daran, auf einem Brett Slalom zu fahren statt auf zweien? Über eine alberne Schanze zu hüpfen und sich in der Luft einmal um die eigene Achse zu drehen beziehungsweise das Board mit der Hand zu berühren? „Backside twentyseven indy.“ Was ist los? „Sehr gute Show. Sehr styli!“
Gute Show? Langweilig ist das, meine Lieben – und sonst gar nix. Gar nicht so einfach? Es geht überhaupt nicht um die Frage, ob schwer oder leicht: Das Ganze ist überflüssig wie ein Kropf! Ebenso überflüssig wie Hallenmotorradfahren über künstlich aufgeschichtete Dreckhaufen beziehungsweise Beach-Volleyball auf dem Bamberger Marktplatz. An den Haaren herbeigezogene Varianten mehr oder weniger alter und seit ewigen Zeiten eingeführter Sportarten. Wurmfortsätze, die sich an jede nur denkbar Leibesübung kletten und den Freizeit- und Bewegungsmarkt aufblasen wie eine bombastische Blähung. Freeclimbing, Mountainbiking, Supertriathlon.
Verstehen Sie mich recht: Ich bin nicht neidisch, nur weil ich nicht wie eine Fliege an der Wand kleben oder die Berge rauf und runter strampeln kann. Hauptsache, die Jugend bewegt sich und ist von der Straße weg. Wirklich.
Was mich mit tiefem Mißtrauen erfüllt, sind die stillschweigenden, formalen Teilnahmebedingungen für all diese „neuen“ Sportarten. Dieses „immer braungebrannt“, nie ohne „witzige“ Sonnenbrille, die passenden Klamotten und richtigen Schuhe. Dieses: Schwitzen ist o.k., aber ich muß unbedingt „gut“ dabei aussehen. Dieses „cool“ um jeden Preis.
Ein Beispiel. Nicola Thost, die Olympiasiegerin in der Snowboard-Halfpipe sagte nach dem Gewinn der Goldmedaille: „Ich habe in Japan einen effizienten Job gemacht und Fun gehabt.“ Kann man viel blöder daherreden? Dabei hatte sie „big smile im Gesicht“ und ich möchte wetten, sie hat sich vor Aufregung und Freude fast bepinkelt. Darf aber nicht sein. Nicht cool. Was sollen die anderen sagen? Die noch am „Inrun“ stehen und „das House rocken wollen“?
Tut mir leid Snowboarder. Ich bin natürlich ein uralter Knochen und hab' von nichts eine Ahnung, aber bei einem solchen Gewäsch kommt mir das Kotzen. Wohlgemerkt: Es geht mir nicht um die Amerikanismen. Es geht um den Anspruch, der in erster Linie coolness heißt und die souveräne Distanz zur eigenen Kompetenz und eine dazu passende stimmige Philosophie umschreibt.
Sind wir uns da einig? Wenn ja, frage ich euch: Wo bleibt die den Zweck der Übung klärende Philosophie? Oder ist Snowboarding nur eine überflüssige Form ohne jeden Inhalt? Und so konstruiert, wie es auf mich wirkt?
Könnte es beispielsweise sein, daß die Schickvariante des guten, alten Schifahrens nicht so ganz zufällig aufgetaucht ist? Sondern von einem Haufen Berufsjugendlicher energisch lanciert, wenn nicht gar von Anfang an geplant wurde? Bei, sagen wir – Atomic? In Zusammenarbeit mit einer Kleiderfirma... und einem Produzenten für Videoclips... und CDs? Ein bloßer Verdacht und wahrscheinlich nur ein Indiz für zunehmende Altersbosheit. Bevor ich euch den Spaß ganz verderbe, mach' ich mich lieber davon. Vielleicht versuche ich mal einen „Switch backside fourty ... indy“ beziehungsweise Ende.
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