: Alba spielt in anderer Liga
Mit einem klaren 85:63-Sieg gegen Baskets Bonn zum Abschluß der Hauptrunde unterstreicht Alba Berlin, daß es den übrigen Bundesligisten nach wie vor weit voraus ist ■ Aus Berlin Matti Lieske
Die rund tausend mitgereisten Anhänger versuchten tapfer, ihre Enttäuschung zu verbergen, als die Spieler der Baskets Bonn nach Ende des Spiels bei Alba Berlin in den Fan-Block kletterten, um ihren Dank für die Unterstützung abzustatten. Mit dem demoralisierenden Ergebnis von 63:85 hatten die Bonner das „Endspiel“ um den ersten Platz in der Bundesliga- Hauptrunde deutlich verloren, der kecken Kampfansage an den Deutschen Meister war eine Demonstration der Überlegenheit des Berliner Teams gefolgt. Das Match zeigte: Alba spielt in einer anderen Liga, und das nicht nur im übertragenen Sinn.
Schon die Bedeutung, die beide Mannschaften der Partie beimaßen, spricht Bände. Für Bonn war es das Spiel des Jahres, dem die Fans schon Wochen vorher entgegenfieberten. Ein Sonderzug für die Mitreisewilligen war organisiert worden, und der Bonner Generalanzeiger, einer der Sponsoren der Basketballer, schaltete ganzseitige Anzeigen in Berliner Zeitungen, die auf das große Ereignis hinwiesen. Für Alba dagegen war das Spiel eine simple Pflichtaufgabe, bei der es darum ging, sich das Heimrecht in einem eventuellen Entscheidungsspiel des Finales zu sichern, einen aufmüpfigen Konkurrenten in die Schranken zu weisen und „ein Zeichen für die Play-offs zu setzen“ (Kapitän Henrik Rödl). Wäre die Sache schiefgegangen, hätte man sich geärgert, mehr aber auch nicht. Für Bonn dagegen wäre es der größte Saisonsieg gewesen.
Ein solcher ist für Alba in der Bundesliga nicht zu holen. Die wahren Ambitionen der Berliner liegen in Europa. Für das Team von Svetislav Pesic ist die Deutsche Meisterschaft vor allem notwendige Voraussetzung zur Teilnahme an der Europaliga, wo man sich jene Meriten erwerben will, die wirklich etwas zählen. Und wenn es so etwas wie einen größten Saisonsieg gegeben hat, dann war es jener gegen Real Madrid, der den Weg zum europäischen Klassenerhalt ebnete. Mit dieser bewußten Ausrichtung auf internationale Erfolge steht Alba in der Bundesliga allein da. Die Europapokale werden hierzulande traditionell als lästige Zusatzbelastung empfunden, entsprechend fallen die deutschen Auftritte aus. Trier und Ulm versäumten es durch lasche Darbietungen in der Vorrunde des Saporta-Cups, sich eine gute Ausgangsposition für die Play-offs zu sichern, der TTL Bamberg flog geradezu fahrlässig aus dem Korac- Cup, Leverkusen und Bonn scheiterten ebenfalls früh.
„Ich bin sehr ehrgeizig, aber das ist nicht genug“, erläutert Bonns Trainer Bruno Soce die europäischen Perspektiven seiner Mannschaft und sagt auch gleich, woran es fehlt: „Kommt Geld, kommt Umgebung, dann kommt auch alles andere.“ Der Serbe wünscht sich noch „zwei, drei gute Spieler“, die notwendig wären, um mit internationalen Spitzenteams mitzuhalten. Fällt ihm zur Zeit ein wichtiger Akteur aus, wie in Berlin der verletzte Spielmacher Derrick Phelps, ist dies kaum wettzumachen. Dabei ist Bonn der Klub, der in seiner Konzeption Alba am nächsten kommt und nicht ohne Grund trotz vieler Krankheits- und Verletzungsprobleme der hartnäckigste Verfolger des Meisters ist. „Ich wünsche mir, daß wir im Finale wieder gegen Bonn spielen“, sagte Svetislav Pesic am Samstag, „nicht weil Bruno mein Freund ist, sondern weil ich in einer ausverkauften Halle spielen will.“ Knapp 9.000 Menschen sahen am Samstag die Partie in der Berliner Max- Schmeling-Halle, rund 4.000 Leute treiben in der Bonner Hardtberghalle ihre Mannschaft bei wichtigen Spielen zu Höchstleistungen an. Zu Hause hat Soces Team in dieser Saison noch kein Bundesligaspiel verloren.
Große, komfortable Hallen und eine ebenso attraktive wie offensive Präsentation in der Öffentlichkeit sind Dinge, die bei den meisten Bundesligisten fehlen, außerdem krankt die Liga daran, daß außer Berlin keine Großstadt mit einem Team vertreten ist. Das erinnert ein wenig an die Situation in den USA der 60er Jahre, als Käffer wie Rochester, Fort Wayne oder Syracuse noch um den NBA-Titel spielten. Basketball ist jedoch zunehmend ein Sport der Metropolen, und der vergangene Woche beschlossene Umzug des TV Rhöndorf nach Frankfurt zeigt, daß der Trend auch in der Bundesliga in diese Richtung geht.
Mit einer größeren Unabhängigkeit vom Deutschen Basketballbund (DBB) will die Liga-Organisation BBL künftig diese Prozesse vorantreiben. Verhandlungen mit Sponsoren und Fernsehen werden von einem Geschäftsführer, eine Art Commissioner, geführt, Entscheidungen, etwa über Standortwechsel, nicht mehr von einem schwerfälligen Funktionärsapparat getroffen. Erste Neuerung ist die Aufstockung der Bundesliga nach der nächsten Saison von 14 auf 16 Vereine mit direktem Auf- und Abstieg, statt der bisherigen unübersichtlichen Aufstiegsrunden. Manfred Schöttner, Präsident von Basket Bayreuth, hofft, daß dadurch „die weißen Flecken auf der Landkarte weniger werden“ und beispielsweise Hamburg zu einem Bundesligisten kommt.
Alba-Coach Pesic, ein großer Fürsprecher der besseren Vermarktung und Präsentation des Basketballs in Deutschland, hält die Aufstockung dagegen für „Blödsinn“, vor allem wohl wegen der zusätzlichen Spieltage für sein termingehetztes Team. Immerhin hat die Liga in dieser Saison erstmals Rücksicht auf Albas Europaliga-Präsenz genommen. Um eine Terminkollision wie im letzten Jahr zu vermeiden, als die Berliner gleichzeitig Europaliga-Viertelfinale und Bundesliga-Play-offs bestreiten mußten, haben die ersten Vier der Bundesligatabelle in der ersten Play-off-Runde, die am 19. März beginnt, spielfrei. Nur dumm, daß Alba diesmal in der Europaliga-Zwischenrunde hängengeblieben ist. Wenigstens hat Pesic so zwei Wochen Zeit, seine Mannschaft auf das Viertelfinale vorzubereiten. Schließlich muß auch ein Team, daß für die Europaliga lebt, erst mal Meister werden, um dort auch antreten zu dürfen.
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