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Akw-BrandNachlässigkeit in Krümmel?

Ein Transformatorbrand kommt nicht von allein: Überwachungsfehler oder zu viel Sparen könnte der Grund für den Störfall im AKW Krümmel gewesen sein.

Am Sonntag vor dem Tor des AKW Krümmel: Anti-Antomkraft-Protest Bild: dpa

Ist der Störfall im Atomkraftwerk Krümmel auf Nachlässigkeit zurückzuführen? Das glaubt jedenfalls ein Experte für Großkraftwerke. "Ein Brand in einem derartigen Transformator bricht niemals ohne Vorwarnung aus", sagte der Elektrotechniker, der nicht namentlich genannt werden möchte, der taz. Entweder habe es Überwachungsfehler gegeben oder Verschleißteile seien nicht rechtzeitig ausgetauscht worden. Am Donnerstag war in einem 23 Jahre alten Transformator der Anlage ein Feuer ausgebrochen, in dessen Folge sich die automatische Notabschaltung aktivierte. Am gleichen Tag meldete das Atomkraftwerk Brunsbüttel eine Schnellabschaltung.

Der Experte sieht bei den deutschen Vorfällen Parallelen zu schwedischen AKWs. So musste auch das AKW Ringhals notgestoppt werden, als am 14. November 2006 ein Brand in einem 25 Jahre alten Transformator ausbrach. Am 25. Juli 2006 war es im AKW Forsmark nach einem Ausfall der äußeren Stromversorgung zu einem Beinahe-GAU gekommen. Aus dem gleichen Grund wurde nun das deutsche AKW Brunsbüttel notabgeschaltet. Alle vier AKWs werden von den Stromkonzernen Vattenfall und Eon betrieben.

Dass es sich nur um Zufälle handelt, bezweifelt der Experte. "Immer ist Voraussetzung eines Brandes, dass ein zentrales Sicherheitssystem versagt." In Krümmel und Ringhals geht es dabei um ein bestimmtes Relais. Fehlerhafte Zustände im Trafo führen bei diesem schon 1921 von dem Ingenieur Max Buchholz entwickelten Schutz immer zu einer Meldung an die Schaltzentrale des Kraftwerks, schwere Fehler zu einer automatischen Abschaltung. Beim Atomkraftwerk Krümmel hatten die Betreiber im September vergangenen Jahres die Turbinenanlage erneuert und damit die elektrische Leistung um 5 Prozent erhöht. "Es ist verwunderlich, dass nach einer so umfassenden Modernisierung ein kapitaler Fehler am Transformatorschutz auftritt", erklärt der Experte: "Offenbar ist der Maschinentrafo bei dieser Gelegenheit nicht generalüberholt worden." Dabei hätte das nahe gelegen: Erfahrungsgemäß betrage die Lebenszeit solcher Transformatoren 20 bis 25 Jahre.

Der größte Unsicherheitsfaktor seien "ungesicherte Lastverhältnisse": Jeder Kurzschluss und jede abrupte Laständerung verursachten ein vorschnelles Altern. Nicht undenkbar sei daher, dass die vielen Störfälle, die das AKW Krümmel verzeichnet, die Transformatorlebenszeit negativ beeinflusst haben.

Zusätzlich könnte auch der Spannungsverlust im äußeren Stromnetz, der zur Abschaltung des AKW Brunsbüttel führte, einen Zusammenhang mit dem Krümmel-Brand haben, obwohl zwei Stunden zwischen beiden Vorfällen vergingen und das näher an Brunsbüttel gelegene AKW Brokdorf nicht betroffen war.

Der Experte weist darauf hin, dass es auch bei den gleichzeitigen Ampelausfällen in Hamburg zwei Störungswellen mit zweistündigem Zwischenraum gegeben habe. Die Spannungsschwankungen im Netz könnten dazu geführt haben, dass ein an der Grenze seines Lebensalters betriebener Transformator noch einmal "so geschüttelt" worden sei, dass es zu einem Kurzschluss kam.

Eine Veranlassung, den Störfällen und möglichen Zusammenhängen auf den Grund zu gehen, sieht man bei Vattenfall offenbar nicht. In der Nacht zum vergangenen Sonntag ging das AKW Brunsbüttel wieder ans Netz. Das AKW Krümmel bleibt weiterhin abgeschaltet.

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1 Kommentar

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  • IS
    IXCornelia Stadler, Mütter gegen Atomkraft e.V.

    Zu den AKW-Unfällen in Krümmel und Brunsbüttel

     

    Es ist immer das Gleiche: Passiert in einem deutschen Atomreaktor ein Unfall, wie jetzt die Brände kurz hintereinander in Brunsbüttel und Krümmel, dann werfen die Energiebetreiber ihre Beruhigungsmaschinerie an. Nur ein minimaler Schaden sei entstanden, man habe alles zu jeder Zeit im Griff gehabt und eine Gefahr für Personal und Bevölkerung habe es nie gegeben. Sofort eilen auch die Befürworter aus der Politik zu Hilfe und bekräftigen ihren Wunsch nach einer Laufzeitverlängerung der störanfälligen Atommeiler ? allen erkennbaren Risiken zum Trotz. Mit dem Argument ?saubere? Atomenergie könne vor dem Klimakollaps retten, erhofft sich die Atomlobby eine Generalabsolution für sämtliche Gefahren und ungelösten Lagerungsprobleme, die mit dieser Technologie einhergehen.

     

    Auch der Einwand, man benötige die Atomenergie nur noch übergangsweise, solange, bis die erneuerbaren Energien einen größeren Anteil am Strommix übernehmen können, klingt bei näherer Betrachtung hohl. Vor allem aber unglaubwürdig, denn die vier großen Energieerzeuger hätten seit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl über 20 Jahre Zeit gehabt, den Auf- und Ausbau eines umweltverträglichen Energiemarktes voranzutreiben. Mindestens mit der gleichen Investitionskraft, die sie in den Bau der Atommeiler gesteckt haben. Die Gelder dafür haben sie ? dank riesiger Gewinne als Strommonopolisten. Wenn Eon nach der geplatzten Übernahme der spanischen Endesa ankündigt, das Unternehmen werde 60 Milliarden Euro neu investieren, wird nichts darüber gesagt, wohin diese riesigen Geldmengen wandern sollen: in den Neubau von Kernkraftwerken in Osteuropa oder China, in klimabelastende Kohlekraftwerke oder in zukunftsfähige Energien wie Solartechnik, Biogas oder Geothermie? Statt sich Übernahmeschlachten zu liefern oder an der Stromkostenschraube bei Privathaushalten zu drehen, hätten die vier deutschen Großbetreiber die Mittel und die Pflicht, Technologien zu fördern, die dazu beitragen Strom sparsamer und wirkungsvoller zu verwenden. Doch daran sind die Monopolisten ebenso wenig interessiert wie an der Stilllegung ihrer längst abgeschriebenen atomaren Altreaktoren. Da CSU-Wirtschaftminister Michael Glos offenbar noch nicht erkannt hat, welches wirtschaftliche Potential im Bereich der Energieeffizienz steckt, blockiert er lieber zukunftsfähige Energietechnik und unterstützt die hiesige Atomlobby mit der Beschwichtigungsformel, ?unsere Kernkraftwerke? seien die sichersten der Welt ? bis zum nächsten Störfall, der vielleicht nicht mehr beherrschbar ist!

     

    Cornelia Stadler

    Sprecherin Mütter gegen Atomkraft e.V.