Aktuelle Nachrichten in der Coronakrise: Dortmund darf Schulen nicht schließen
Dortmunder Schulen müssen laut Landesregierung offen bleiben – trotz steigender Infektionszahlen. Die Europäische Arzneimittelagentur verteidigt das AstraZeneca-Vakzin.
Dortmunder Schulen müssen offenbleiben
Die drittgrößte NRW-Stadt Dortmund darf die Schulen auch bei landesweit steigenden Corona-Infektionszahlen nicht ab Mittwoch schließen. Das stellte Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Dienstag nach einem Antrag der Stadt in einer Pressekonferenz in Düsseldorf klar. Eine entsprechende Entscheidung werde der Ruhrgebietsstadt noch am selben Tag mitgeteilt. Dortmund Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) hatte die angestrebte Schließung aller Schulen auch mit dem vorläufigen Impfstopp des Astrazeneca-Vakzins begründet.
„Wir sind der festen Überzeugung, dass es in diesem Moment überhaupt keinen Sinn macht, die Schulen zu öffnen. Deswegen haben wir den dringenden Appell an die Schulministerin, die Schulöffnung und das Hochfahren des Präsenzunterrichts sofort zu beenden“, sagte der OB nach einer Sitzung des Verwaltungsvorstandes. Höre man nichts, werde man den Dortmunder Plan umsetzten – und zwar für alle Schulen, auch die Grundschulen.
Aus Sicht der Stadt ist das Öffnungskonzept der Schulen geknüpft an Impfungen und Tests. Seit Bekanntgabe des vorläufigen Impfstopps von Astrazeneca fehle die Geschäftsgrundlage für diesen Gesamtplan. Man habe die Lehrer mit Astrazeneca impfen wollen, das sei jetzt unmöglich.
Laumann sagte, bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 71,2 Neuinfektionen unter 100.000 Einwohner binnen einer Woche in Dortmund kämen Schulschließungen nicht infrage. Er kritisierte, dass der Stadt offenbar keine anderen Maßnahmen einfielen. Die wichtige Kennziffer der Wocheninzidenz steigt landesweit und lag laut Robert Koch-Institut am Dienstag in NRW bei 82,9. (dpa)
EMA verteidigt AstraZeneca-Impfstoff
Die Europäische Arzneimittelagentur hält den Nutzen des Corona-Impfstoffs von Astrazeneca bis zum Abschluss der laufenden Untersuchungen für größer als die Gefahren. Solange die Untersuchungen der EU-Behörde andauerten, sei man entschieden überzeugt, dass die Vorteile des Impfstoffs bei der Verhinderung von Covid-19 das Risiko überwögen, bekräftigte EMA-Chefin Emer Cooke am Dienstag. Am Donnerstag wolle die EMA eine Einschätzung zu möglichen Risiken und zur weiteren Verwendung abgeben.
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Deutschland und andere EU-Staaten hatte die Impfungen mit dem Corona-Impfstoff von Astrazeneca zuletzt ausgesetzt. Hintergrund waren Berichte über Blutgerinnsel in zeitlichem Zusammenhang mit dem Impfprozess.
Cooke betonte nun, dass eine Situation wie diese nicht unerwartet sei. Wenn man Millionen Menschen impfe, sei es unausweichlich, dass man seltene oder ernsthafte Vorkommnisse von Erkrankungen habe, die nach der Impfung auftreten. Die EMA prüfe nun, ob dies tatsächlich eine Nebenwirkung sei oder Zufall. Es brauche dazu eine wissenschaftliche Bewertung. „Wir müssen die Fakten zuerst haben.“ Vorher könne man nicht zu einer Schlussfolgerung kommen. (dpa)
Moderna-Impfstoff wird an Kindern getestet
Das US-Unternehmen Moderna prüft die Wirksamkeit und Verträglichkeit seines Corona-Impfstoffs bei Kindern mit einer Testreihe bei unter Zwölfjährigen. Die klinischen Tests an Kindern in den USA und Kanada hätten bereits begonnen, teilte Moderna am Dienstag mit. Insgesamt rund 6.750 gesunde Kinder im Alter von sechs Monaten bis elf Jahren sollen demnach daran teilnehmen.
Die Studie werde dabei helfen, die Sicherheit und Wirksamkeit des Impfstoffs mRNA-1273 für die so wichtige Bevölkerungsgruppe der Kinder besser einzuschätzen, erklärte Moderna-Chef Stéphane Bancel. Junge Kinder entwickeln nach einer Infektion mit Sars-CoV-2 meist nur milde oder gar keine Symptome, sie können das Virus aber weitertragen. Deswegen werden in aller Welt immer wieder Kitas und Schulen zur Eindämmung der Pandemie geschlossen.
Wie das Mainzer Unternehmen Biontech hat Moderna einen Corona-Impfstoff auf Grundlage der neuen mRNA-Technologie entwickelt, von dem für eine Immunisierung gegen das neuartige Coronavirus zwei Dosen benötigt werden. Seit dem 6. Januar ist das Moderna-Vakzin in der EU für Erwachsene zugelassen. In den USA wurde bereits im Dezember eine Notfallzulassung erteilt. (afp)
Immer mehr positive Coronatests
Der Anteil positiver Coronatests nimmt dem Laborverband ALM zufolge in Deutschland wieder zu. Die Positivrate sei im Vergleich zur Vorwoche von 6,4 auf nun 7,2 Prozent gestiegen, teilte der Verband Akkreditierter Labore in der Medizin am Dienstag mit. Demnach fielen 20 Prozent mehr PCR-Tests auf Corona (77.660) positiv aus als in der Vorwoche (64.981). „Wir in den Laboren sind besorgt angesichts dieser Entwicklung, denn auch der Anteil der Varianten, insbesondere von B.1.1.7, nimmt weiter zu“, so der ALM-Vorsitzende Michael Müller.
Die Anzahl der Tests stieg den Daten aus 173 Laboren (Vorwoche 171) zufolge um fast 64.000 auf gut 1,08 Millionen. In wie vielen Fällen der PCR-Analyse ein Schnelltest vorausging, ist nicht bekannt. Der Verband sieht bei der Verwendung noch Aufklärungsbedarf: „Alle sollten wissen, dass sie sich im Falle eines positiven Antigen-Schnelltests sofort isolieren müssen, um das Risiko weiterer Ansteckungen zu minimieren“, erklärte Müller.
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Jeder positive Antigentest sei umgehend durch eine PCR zu bestätigen. Zudem müsse klar sein, dass negative Antigen-Schnelltests nur eine Momentaufnahme mit maximal einem Tag Gültigkeit seien, hieß es vom Verband auch. (dpa)
Lauterbach: Thrombosen hängen wohl mit Vakzin zusammen
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach glaubt trotz des Aussetzens von Impfungen mit dem Astrazeneca-Vakzin, dass bis Ende September jedem Deutschen, der wolle, ein Impfangebot gemacht werden könne. Seiner Meinung nach sei dieses Versprechen der Bundesregierung zu halten, sagte Lauterbach am Dienstag im ARD-“Morgenmagazin“. Er glaube, dass der Impfstoff bald wieder eingesetzt werden könne und auch das Vertrauen wieder aufgebaut werde.
Lauterbach sprach mit Blick auf das Aussetzen der Impfungen von einer „unglücklichen Entscheidung“. Zwar sei das Risiko der beobachteten Thrombosen in Hirnvenen „mit großer Wahrscheinlichkeit“ auf das Vakzin zurückzuführen. Es sei aber sehr gering, vor allem im Vergleich mit der Erkrankung Covid-19, die gerade bei Älteren „sehr sehr häufig tödlich verläuft.“
Lauterbach sprach sich dafür aus, mit den Daten zum Impfstoff vollkommen transparent und offen umzugehen. Deutschland stehe am Beginn einer schweren dritten Welle, sagte er. Impfungen in Kombination mit Tests seien der Königsweg, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. (afp)
Impfgipfel wird verschoben
Nach der Aussetzung von Corona-Impfungen mit dem Präparat von Astrazeneca soll die für Mittwochabend geplante Bund/Länder-Beratung zur weiteren Impfstrategie voraussichtlich verschoben werden. Es sei davon auszugehen, dass die Entscheidung der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA am Donnerstag zum weiteren Vorgehen bei dem Impfstoff abgewartet werde, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Montagabend aus mit den Vorgängen befassten Kreisen.
Bei der Telefonkonferenz von Kanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsident:innen der Länder sollte es auch um die Frage gehen, wie die Hausärzt:innen flächendeckend in den Impfabläufen berücksichtigt werden können. In den Praxen sollte dabei insbesondere der Impfstoff von Astrazeneca zum Einsatz kommen, da dieser dort auch gelagert werden kann, weil er nicht so stark gekühlt werden muss wie die Impfstoffe von Biontech und Moderna.
Doch am Montagnachmittag hatte das Bundesgesundheitsministerium überraschend mitgeteilt, dass auch Deutschland die Impfungen mit dem Impfstoff von Astrazeneca vorerst aussetzt. Vorausgegangen waren Meldungen von Blutgerinnseln im zeitlichen Zusammenhang mit einer Corona-Impfung mit dem Präparat. Den Angaben zufolge handelt es sich um einen vorsorglichen Schritt, dem eine entsprechende Empfehlung des zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) vorausging.
Kritik an Stopp der Astrazeneca-Impfungen
Der Pandemiebeauftragte des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München, Christoph Spinner, sieht das Aussetzen der Impfungen mit dem Astrazeneca-Produkt kritisch. Sicherheit stehe zwar an oberster Stelle. Ob man die Impfung hätte aussetzen müssen, könne man zumindest hinterfragen, sagte der Oberarzt des Universitätsklinikums der Deutschen Presse-Agentur. „Der Astrazeneca ist der zweitwichtigste Impfstoff für uns.“
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Die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) genannte Zahl von sieben Fällen spezieller Thrombosen der Hirnvenen bei 1,6 Millionen Impfungen in Deutschland sei sehr gering. „Die Ereignisse sind sehr selten“, sagt Spinner. Und: „Wir impfen derzeit prioritär Menschen mit Vorerkrankungen.“ Diese Patient:innen hätten teils von vornherein ein gesteigertes Thromboembolie-Risiko.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach äußerte am Montag die Hoffnung, dass die Prüfung des Astrazeneca-Impfstoffs nur „ganz kurz“ dauern werde. Dann könnten „wir schon in der nächsten Woche den Impfstoff Astrazeneca wieder einsetzen“, sagt er der Sendergruppe RTL/NTV. „Wenn der Impfstoff dauerhaft nicht zur Verfügung stehen sollte, was ich jedoch nicht glaube, wäre die Impfstrategie über die Hausärzte ernsthaft gefährdet.“
„Die Vorteile der Impfung überwiegen“, betont der Mediziner, was derzeit auch die Europäische Arzneimittelbehörde EMA in einem aktuellen Statement bekräftigt. „Übrigens verursacht auch eine schwere Covid-19-Erkrankung regelhaft thromboembolische Ereignisse – alleine deshalb ist eine Impfung absolut sinnvoll.“
Auch der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen hat das vorläufige Aussetzen der Impfungen mit dem Präparat von Astrazeneca kritisiert. Der Stopp auf Basis geringer Fallzahlen sei angesichts der dritten Coronawelle fahrlässig, sagte der Bundestagsabgeordnete der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf sieben gemeldete Fälle von Blutgerinnseln nach 1,6 Millionen Impfungen mit Astrazeneca.
Dieser Vorgang sei „die nächste Erschütterungswelle“ für das Vertrauen in die Corona-Politik der Bundesregierung. „Eine Alternative wäre es, über das überschaubare Risiko ausführlich aufzuklären und weiterhin jene Menschen zu impfen, die eine Impfung mit Astrazeneca möchten.“ (dpa/rtr)
Neuinfektionen steigen weiter
Laut Robert Koch-Institut meldeten die Gesundheitsämter in Deutschland in den vorangegangenen 24 Stunden insgesamt 5.480 Neuinfektionen mit dem Coronavirus. Am Dienstag vor genau einer Woche wurden 4.252 Neuinfektionen gemeldet und somit 1.228 weniger. Das geht aus Zahlen des RKI vom Dienstag hervor. Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 238 weitere Todesfälle verzeichnet.
Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner:innen (Sieben-Tage-Inzidenz) lag laut RKI am Dienstagmorgen bundesweit bei 83,7 – und damit höher als am Vortag (82,9). Vor etwa vier Wochen, am 16. Februar, hatte die Inzidenz noch bei 59 gelegen. Die Zahl der neuen Ansteckungen in Deutschland war im Januar und Februar über Wochen deutlich zurückgegangen. Zuletzt stieg sie jedoch wieder an, was auch an der Verbreitung ansteckenderer Varianten liegen könnte.
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Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Montagabend bei 1,15 (Vortag 1,19). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 115 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab; liegt er anhaltend darüber, steigen die Fallzahlen. (dpa)
Söder: Impfreihenfolge für Astrazeneca aufheben
Aus Sicht des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) sollte nach einer erneuten Freigabe des Astrazeneca-Impfstoffs die Priorisierung bei diesem Coronavakzin aufgehoben werden. Er glaube nicht, dass der Impfstoff generell ausgesetzt bleibe, sagte Söder am Montagabend im ARD-„Brennpunkt“. Nach der Überprüfung werde man wahrscheinlich feststellen können, „dass doch zumindest für viele Gruppen geimpft werden kann“. „Endlos lange Prioritätenlisten“ hätten dann keinen Sinn mehr.
„Da muss man dann echt freigeben“, sagte Söder: „Ich kenne so viele Menschen, die sich sofort mit Astrazeneca impfen lassen würden. Ich würde mich auch sofort hinstellen.“ (epd)
RKI-Mediziner warnt vor exponentiellem Wachstum
Der RKI-Epidemiologe Dirk Brockmann sieht das Infektionsgeschehen in Deutschland wieder in einem exponentiellen Wachstum und hat die Lockdown-Lockerungen scharf kritisiert. Bei der Entwicklung der Fallzahlen und Inzidenzen gebe es derzeit im Wesentlichen einen Zuwachs von 20 Prozent im Vergleich zur Vorwoche, sagt der Experte vom Robert Koch-Institut in der ARD. „Wir sind genau in der Flanke der dritten Welle. Da gibt es gar nichts mehr zu diskutieren.“
In diese Flanke herein sei gelockert worden und das habe dieses exponentielle Wachstum beschleunigt, das es bereits durch die neue britische Virusvariante B117 gegeben habe. Deutschland gehe nun „voll in das exponentielle Wachstum“ rein. „Das ist total irrational gewesen, hier zu lockern. Das befeuert nur dieses exponentielle Wachstum.“ (rtr)
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